Vor gut 40 Jahren formulierten die beiden Kanadier Laurence J. Peter und Raymond Hull in einem gleichnamigen Buch das sogenannte Peter-Prinzip, das bis heute viel Beachtung erfährt und in Wirtschaftskreisen kontrovers diskutiert wird.
Basis des Peter-Prinzips ist die These, dass „in einer Hierarchie jeder Beschäftigte dazu neigt, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“ Laut Peter und Hull führt dies in der Konsequenz dazu, „dass in einem Betrieb oder einer öffentlichen Einrichtung jede Position von einem Mitarbeiter besetzt wird, der unfähig ist, seine Aufgabe zu erfüllen,“ da in Hierarchien kein Abstieg möglich ist, sondern jeder auf der Stufe seiner Unfähigkeit bleibt, bzw. erst dann nicht mehr befördert wird, wenn er diese erreicht hat.
Zwar sind die teils amüsant formulierten und höchst lesbaren Gedanken der beiden Autoren auf Wirtschaftsbetriebe und Behörden gemünzt (Peter war Lehrer und Professor), doch lassen sich auch Parallelen zum Poker ziehen. Das System Poker sieht vor, dass ein genuines Ziel des Spielers im Aufstieg in den Limits besteht.
Folgt man der Theorie Peters und Hulls, landet jeder Spieler zwangsläufig irgendwann auf einem Limit, bei dem er überfordert ist. In der letzten Konsequenz würde dies bedeuten, dass an Tag X in einem Internetcasino an jedem Tisch nur Spieler sitzen, die auf der Stufe ihrer Unfähigkeit angekommen sind.
Das Szenario lässt sich gut nachempfinden. Spieler X beginnt auf den niedrigsten Limits, er ist begabt, arbeitet an seinem Spiel und kämpft sich in der Hierarchie nach oben. Seine Gewinne werden in Big Blinds pro 100 Hände immer niedriger, aber er erzielt noch Plus. Schließlich landet er auf einem Limit, auf dem er das Rake nicht mehr schlagen kann und maximal ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt oder gar verliert.
Gerade in Deutschland ist aber die Mentalität verbreitet, dass Scheitern etwas sehr Negatives ist und das Eingeständnis einer Überforderung als ehrenrührig angesehen wird. Dies kann dazu führen, dass der Betreffende in der Tat auf der Stufe seiner Unfähigkeit verharrt, anstatt den notwendigen Abstieg in Kauf zu nehmen.
Ende letzten Jahres hat ein Spieler namens Isildur1 nicht nur für Furore gesorgt, sondern ein geradezu prototypisches Beispiel für die Gefahren des Peter-Prinzips geliefert. In atemberaubender Geschwindigkeit stürmte er durch die Limits und kam letztlich bei der Weltspitze an. Das Ende ist bekannt. Bevor Isildur1 die Reißlinie zog und dem Bankroll-Management getreu abstieg, hatte er sein gesamtes Spielkapital verpulvert.
Es wäre vermessen, dem Peter-Prinzip absolute Gültigkeit zu bescheinigen, doch bietet es gerade dem auf sich selbst gestellten Pokerspieler eine wertvolle Hilfestellung. Kehrt man es um, stellt sich die Frage, ob man für das jeweilige Limit wirklich gut genug ist, nur der persönlichen Eitelkeit gehorcht oder schlicht starr im westlichen Hierarchiedenken, das keinen Abstieg duldet, verhaftet ist. Da jeder Pokerspieler zumindest bis zu den mittleren Limits nur für sich verantwortlich (weil er keine Werbeverträge etc. unterschrieben hat) und keiner öffentlichen Scham ausgesetzt ist, sollte ihm die Einsicht, den notwendigen Abstieg zu vollziehen, leichter fallen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 04.02.2010.