Allen Cunningham, Vierter des größten WSOP Mainevents im Jahr 2006 und mehrfacher Braceletgewinner, stellte sich mir zum Interview und gab Einblick in seine Erfolge, seine Schüchternheit und was er vor über zehn Jahren in “indischen” Casinos getrieben hat.
Du hast ein sehr langes Poker-Resumé – ich zähle das mal nicht auf, du weißt sicher selbst am Besten, was du bisher gerissen hast – aber was ist deiner Meinung nach dein größter Erfolg?
Allen Cunningham: Der Erfolg, der mir am liebsten ist, ist sicherlich mein vierter Platz im Main Event der WSOP 2006. Ich habe zwar nicht gewonnen – Gewinnen ist übrigens immer ein großer Erfolg – aber es war das größte Turnier, das ich gespielt habe und ich habe mich gegen tausende von Gegnern durchgesetzt. Außerdem glaube ich, dass ich während des gesamten Turniers sehr gutes Poker gespielt habe. Nur, dass ich am Ende nicht gewonnen habe, das nagt immer noch ein wenig an mir. Darüber hinaus bin ich natürlich über mein erstes WSOP-Bracelet im Jahr 2001 sehr stolz.
Du bist, so scheint es, ein eher zurückhaltender Spieler und nicht so laut und auffällig wie einige Andere. Poker ist inzwischen zu einem großen Medienspektakel geworden und als bekannter Spieler stehst du häufig im Rampenlicht. Liegt dir das?
Allen Cunningham: (Allen schmunzelt) Naja, es liegt tatsächlich nicht ganz in meiner Natur, viel im Rampenlicht zu stehen und ständig Fragen beantworten zu müssen. Inzwischen habe ich auch an Pokertischen häufiger das Gefühl, ich müsste aggressiver oder auffälliger spielen – schließlich bin ich ja ein bekannter Spieler. Das ist schon ein wenig seltsam. Denn als ich das allererste Mal an einem Tisch mit Kameras saß, habe ich bewusst die Kameras komplett ignoriert und mich nur auf mein Spiel konzentriert. Viele Spieler wollen eine Show aufs Parkett legen, wenn Kameras in der Nähe sind, zu diesen Spielern wollte ich auf keinen Fall gehören. Womöglich wirkte ich dadurch ganz besonders schüchtern und vielleicht sogar ein wenig verängstigt.
Aber vielleicht auch ein wenig natürlicher? Ich denke, dass du durch dieses Image durchaus Sympathien aufgebaut hast.
Allen Cunningham: Ja, natürlich. Jetzt im Nachhinein muss ich sagen: es hat perfekt funktioniert. Aber damals, grade als ich noch auf der Suche nach einem Sponsor war, dachte ich, ich müsste vielleicht doch etwas mehr durch die Gegend springen und mit den Armen wirbeln, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber ich musste das dann doch nicht machen und inzwischen habe ich auch so meinen Sponsor.
Allen CunninghamDu bist seit fast zehn Jahren im großen Pokergeschäft. Wie meinst du, wird sich die Pokerwelt in den nächsten zehn Jahren entwickeln?
Allen Cunningham: Ich glaube, was die Anzahl der Spieler angeht, sind wir inzwischen beim Maximum angelangt, zumindest in den USA, England und Skandinavien. In anderen Teilen Europas, wächst der Pokermarkt zwar noch, aber es fühlt sich an, als wären wir jetzt an der Spitze angelangt. Es gibt inzwischen wirklich viele sehr gute Spieler und es laufen sie viele organisierte Pokerveranstaltungen – ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es noch größer geht. Ich denke, wir werden die nächsten zehn Jahren ein ähnliches Niveau erleben. Möglicherweise kommen weitere Spieler hinzu aus Regionen wie Südamerika oder Osteuropa, aber das ist nur schwer abzuschätzen.
Du sagst, es gibt jetzt sehr viele gute Spieler. Meinst du, das ist ein Nachteil für dich? Schließlich gibt es von dir zahllose Videos online und man muss sich eigentlich nur einige Zeit vor YouTube oder PokerTube setzen und schon hat weiß man, wie du spielst.
Allen Cunningham: Ich denke, die Videos sind kein Nachteil. Der Nachteil ist aber, dass jeder Spieler weiß, dass ich ein guter Spieler bin. Ich hingegen weiß inzwischen nicht mehr, ob meine Gegner gut oder schlecht sind. Früher war es so, dass man alle guten Spieler kannte und gesellte sich ein dir unbekannter Spieler an deinen Tisch, konntest du ziemlich sicher sein, dass es sich um einen eher schwachen Gegner handelt und deine Strategie entsprechend anpassen. Aber jetzt gilt das nicht mehr. Nur weil ich jemanden noch nicht kenne, heißt das nicht, dass er kein sehr guter Spieler sein kann. Deswegen muss ich erst eine Zeitlang gegen einen Unbekannten spielen, bevor ich sagen kann, ob er gut ist oder nicht. Ich hoffe, dass meine generelle Strategie so ist, dass allein der Fakt, dass ich ein guter Spieler bin, meinen Gegner nicht zu viel verrät und mir meine Bekanntheit so nicht zum Nachteil gerät.
Allen Cunningham: “Ich kann mirPoker ohne Geld nicht vorstellen.”
Das meine ich auch. Du spielst in den höchsten Cashgames und die Legende besagt, dass Spieler auf deinem Level in ihrer Spielweise anpassungsfähig sind und nicht zu leicht zu lesen sind. (Allen lacht) Lass mich eine Frage zu einem anderen Thema stellen: Geld. Es würde mich interessieren, ob du auch Poker spielen würdest, wenn es nicht um Geld gehen würde.
Allen Cunningham: Das glaube ich nicht. Geld spielt eine große Rolle beim Poker. Es ist für das Spiel auf eine gewisse Art und Weise wichtig, dass man viel Geld gewinnen oder verlieren kann. Denn Gewinne oder Verluste verursachen Emotionen und es sind häufig diese Emotionen, die den Unterschied zwischen Gewinnern und Verlierern ausmachen. Wer seine Emotionen am besten kontrollieren kann, ist meistens auch der erfolgreichste Spieler. Die Möglichkeit, viel Geld zu verlieren oder zu gewinnen, sorgt auch bei sehr erfahrenen Spielern oft dafür, dass sie suboptimal oder zumindest anders spielen als sonst. In diesem Sinne denke ich, ist Geld schon ein elementarer Bestandteil des Spiels.
Und ein Leben ohne Poker? Was würdest du wohl machen, wenn es Poker nie gegeben hätte?
Allen Cunningham: Das ist wirklich schwierig zu sagen, da ich schon so lange spiele. Ich habe ja nicht mal mein Studium beendet. Nach zwei Jahren habe ich abgebrochen, um nur noch Poker zu spielen.
Ich habe gelesen, du hättest in indischen Casinos angefangen zu spielen?
Allen Cunningham: (lacht) Nicht ganz, ich habe in sogenannten Indianercasinos angefangen, denn dort kann man in der Regel schon mit 18 spielen und nicht erst mit 21 wie sonst in Amerika üblich.
Eine Frage, die deine Vorstellungskraft ein wenig strapazieren dürfte: Wenn du dein Leben mit zwei Pokerkarten beschreiben solltest, welche wären es?
Allen Cunningham: Wie – ich bekomme nur zwei Karten für mein ganzes Leben?
Na gut, du kannst auch gerne dein Leben mit einer Omaha-Hand beschreiben.
Allen Cunningham: Gut, dann doch nur zwei und ganz aus dem Bauch: King-Jack suited. Die Hand taucht ziemlich häufig in meinem Spiel auf. Ich habe große Turniere damit gewonnen und große Pötte damit verloren. Und: die Hand ist ziemlich gut, aber es könnte dennoch ein ganzes Stück besser gehen. Vielleicht passt das ein wenig zu meinem Leben. (Allen denkt kurz nach und muss schmunzeln.) Ich stehe gut da, habe viel erreicht, aber ich habe immer noch das Gefühl, ich könnte ein ganzes Stück mehr erreichen.
Was willst du denn noch bis zum Ende deiner Karriere erreichen?
Allen Cunningham: Nun ja, im Moment spiele ich entweder Cashgames in Las Vegas oder fahre mit dem Turniertross um die Welt. Außer bei diesen beiden Sachen erfolgreich zu sein, gibt es für mich zurzeit gar keine weiteren Ziele. Ich gehe davon aus, dass ich noch lange Zeit Pokerturniere spielen werde und hoffe, mich weiter zu verbessern. Ich werde bestimmt noch viele Titel gewinnen (lacht). Ich will gar nicht unbedingt der allerbeste Spieler werden, das hängt ja auch zu sehr von den anderen Spielern ab. Ich will einfach nur noch lange gutes Poker spielen.
Wirst du denn in Zukunft mehr EPT Turniere spielen?
Allen Cunningham: Oh ja, ich will die unbedingt ausprobieren. Es gibt so viele neue und andere Spieler in Europa und die ganze EPT Serie ist noch sehr jung. Es kann also durchaus sein, dass ich demnächst öfter bei EPT Turnieren zu sehen sein werde.
Stell dir vor, ich gäbe dir jetzt einen Zauberstab und du könntest genau eine Sache im Poker verändern. Was wäre das wohl?
Allen Cunningham: Interessante Frage! (denkt) Eigentlich mag ich Poker genau so wie es zurzeit ist. Es wäre schön, wenn es noch mehr große Turniere in den verschiedensten Gebieten der Erde gäbe. Dann könnte ich reisen wohin ich wollte und könnte überall Poker spielen. Aber was das Verändern angeht: eigentlich bin ich eher der Typ, der sich anschaut, wie irgendetwas ist und versuche das Beste daraus zu machen.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin.
Allen Cunningham: Vielen Dank!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 24.12.2009.