Kann man bei etwas, das nur ungefähr 10 Jahre alt ist, überhaupt von Geschichte sprechen? Ja, in Zeiten des Internets, wo ein Jahr gefühlte zehn Jahren vor den 80ern entspricht, darf man das. In diesem Artikel wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie Online-Poker in seiner heutigen Form entstanden ist.
Wie so vieles im Internet, begann alles Mitte der 90er Jahre. Eine Horde “Internet-Nerds” mit einer Leidenschaft für das Pokerspiel diskutierte lebhaft auf RGP. RGP bedeutet “rec.gambling.poker” und war damals eine Newsgroup zum Thema Poker, ähnlich den heutigen Pokerforen. Zu diesen “Nerds” gehörten unter anderem der Informatiker Chris “Jesus” Ferguson, Greg Raymer, Perry Friedman, Paul Phillips, David Sklansky, Mike Caro und Steve Brecher.
Die vielen Diskussionen auf RGP führten schließlich zu der Entstehung eines Pokerservers im so genannten Internet Relay Chat (IRC). Hier wurde zwar nur um Playmoney gespielt, die Spieler waren aber durchaus hochkarätig. Hier entstanden die Basics und all diese Spieler haben durch ihr Spiel und die Diskussionen auf RGP zum Entstehen von Online-Poker, wie wir es heute kennen, beigetragen.
Nun muss man sich Internet-Poker auf IRC natürlich nicht so vorstellen, wie wir es heute kennen, mit einen graphisch dargestellten Pokertisch, Spieleravataren und allerlei technischen Spielereien. Die Spiele liefen damals chatbasiert ab, also eher wie ein Textadventure. Graphisch gab es da nix zu sehen.
Der Full Tilt-Pro Chris Ferguson berichtete in unserem Interview, dass es damals sogar eine Online-Version der WSOP gab: “Sie nannte sich WRGPT – world.rec.gamgling.poker-Turnier und war ein Email-Turnier. Man hat dir per Email deine Hand geschickt und du hast deinen Spielzug zurückgeschickt. Das Turnier war dem Main Event der WSOP nachempfunden, es hatte also die gleiche Struktur. Nur dauerten die Blindlevels bei der WSOP zwei Stunden, während die Levels bei der WRGPT eine oder zwei Wochen brauchten…”
Es dauerte einige Zeit bis man realisierte, dass sich mit Online-Poker Geld verdienen ließ und so kam es am 1. Januar 1998 zur historischen ersten Online-Pokerhand mit echtem Geld und Rake. Auf Planet Poker wurde ein Tisch mit $3/$6 Texas Hold’em angeboten. Immer mehr Spieler interessierten sich für den Tisch und im Februar 1998 lief der Tisch – ja, es war nur ein Tisch – das erste mal 24 Stunden durch. Ein großer Durchbruch.
Die Lobby von Planet Poker, eine der ersten Spielmöglichkeiten im Netz1999 begann PartyPoker ihr Geschäft und die Software verbesserte sich zusehends. Anfang des neuen Jahrtausends erlebte Poker einen Boom, der vor allem durch die Erfindung der Hole-Card-Cam im TV zustande kam. Zuvor war Poker für Sportsender wie ESPN vor allem ein Mittel, die Sendezeit zwischen Baseball und Football zu überbrücken. Jetzt konnten die Zuschauer die Hole-Cards der Spieler sehen, das Spiel wurde interessanter, und die Leute wollten selber spielen und gewinnen.
Den Traum aller Spieler erlebte dann bekanntermaßen Chris Moneymaker, der 2003 mit nur 40 Dollar Einsatz bei einem Satellite am Ende 2,5 Millionen Dollar bei der WSOP 2003 gewann und damit endgültig den Boom auslöste.
Zusammen mit dem Boom kam auch der rasante Aufstieg der Online-Pokerrooms und der Markt wuchs und wuchs. In den Poker-Fernsehübertragungen sah man immer mehr Logos der Online-Seiten. 2005 ging PartyGaming, der Mutterkonzern von PartyPoker, der damals größten Seite, in London mit einem Wert in Höhe von unglaublichen 8 Millarden Dollar an die Börse.
2006 passierte dann das, was in der amerikanischen Online-Poker-Community als “Schwarzer Freitag” bekannt wurde. Im Zuge der hektischen Anti-Terror-Gesetzgebung in Folge von 9/11 wurde mehr oder weniger klammheimlich eine Verordnung erlassen, die es amerikanischen Banken verbot, Geldtransfers zu vollziehen, die mit Online-Poker-Seiten zu tun hatten. Dies war die Geburtsstunde des berüchtigten Unlawful Internet Gambling Enforcement Act (UIGEA), der den Amerikanern bis heute das Spiel im Netz stark erschwert.
Ein Resultat des UIGEA war allerdings, dass die großen Pokerrooms sich verstärkt auf die Suche nach neuen Märkten in Europa und Asien machten und dort durch ihre großen Werbeetats viel für die Verbreitung von Poker taten.
Ein weiterer großer Rückschlag für Internet-Poker war der Skandal um Ultimate Bet bzw. Absolute Poker, bei dem bekannt wurde, dass Spieler so genannte Superuser-Accounts besaßen und so die Hole-Cards ihrer Gegner einsehen konnten. Der Skandal bewirkte einen generellen Vertrauensverlust der Community und warf viele Fragen zur Sicherheit von Online Poker auf und wer diese überhaupt kontrollieren soll und darf.
Heute gibt es ungefähr 40 Pokerrooms und Networks, auf denen nennenswerter Traffic herrscht. Insgesamt zählt man ca. 600 Skins der unterschiedlichen Networks. Die Masse der Spiele läuft aber mittlerweile auf wenigen Seiten, wie zum Beispiel Full Tilt, PokerStars, Titan, PartyPoker, 888 und Everest ab.
Mittlerweile treffen sich Millionen von Spielern täglich im Netz und spielen Turniere und Cashgames. Fest steht, dass Poker auch in hundert Jahren noch gespielt wird, die Frage ist eben nur wie und wo.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 07.12.2009.