Full Tilt Pro Chris “Jesus” Ferguson ist schon wegen seines Aussehens einer der imposantesten Pokerspieler weltweit. Im Jahr 2000 gewann er das Main Event der WSOP und konnte danach noch 4 weitere Bracelets gewinnen. Auf der Million Euro Challenge in Salzburg stellte er sich PokerOlymp zum Interview zur Verfügung und gab Auskunft über seine sehr frühen Erfahrungen mit Poker im Internet, seinen Hut und das Zerteilen einer Karotte.
Hallo Chris, du bist nicht nur ein sehr erfolgreicher Pokerspieler, sondern hast auch einen PHD in Informatik.
Chris Ferguson: Ja, das ist richtig.
in welchem Umfang bist du für FullTilt Poker verantwortlich?
Ferguson: (lacht) Ganz am Anfang habe ich das Team beim Design der Software beraten und unterstützt, allerdings nicht bei der Programmierung. Ich habe mich dabei vor allem auf die Perspektive des Nutzers konzentriert.
Hast du jemals mit künstlicher Intelligenz experimentiert? Zum Beispiel mit einem Programm, das Poker spielt?
Ferguson: Nein, nicht richtig. Ich habe vor langer Zeit ein paar Simulatoren geschrieben, mit denen man die Gewinnwahrscheinlichkeiten von Händen berechnen konnte. Ich habe zwar schon darüber nachgedacht, mich an einem Pokerbot zu versuchen, aber bisher in dieser Richtung noch nie etwas gemacht.
Glaubst du, es ist irgendwann einmal möglich, ein Proramm zu schreiben, das so gut Poker spielt, dass es gute menschliche Gegner auf lange Sicht schlägt?
Ferguson: Das kann ich nicht beurteilen. Ich denke, im Heads-up bei Limit Holdem ist man da inzwischen schon recht weit, aber in anderen Varianten spielen aktuelle Programme noch sehr schlecht. Aber ich halte da noch vieles für möglich.
Chris erklärt PokerStimmt es eigentlich, dass du Poker zunächst auf einem Computer gegen Computergegner gespielt hast?
Ferguson: Nein, nicht ganz. Aber ich habe sehr früh im Internet gegen menschliche Gegner gespielt. Tatsächlich habe ich schon 1998 im Internet Poker gespielt. Das war auf IRC-Poker. Denn damals wollte ich No-Limit Hold’em spielen, weil mich dieses Spiel faszinierte. Limit Hold’em fand ich immer eher etwas langweilig. Das Problem war, dass es damals sehr schwer war, überhaupt No-Limit zu spielen. In den Casinos wurde fast kein No-Limit Cashgame gespielt, oder nur mit Summen, die ich mir damals nicht leisten konnte. No-Limit Hold’em-Turniere wurden damals zwar schon gespielt, aber auch weit weniger als jetzt.
Aber man konnte im Internet No-Limit spielen. Es ging zwar nur um Spielgeld, aber trotzdem nahmen die Spieler das Spiel sehr ernst. Es wurden umfangreiche Statistiken geführt, wie zum Beispiel die gewonnenen Chips pro Stunde. Dadurch war das Spiel sehr kompetitiv.
Ich habe schnell gemerkt, dass ich so sehr schnell Fortschritte machen konnte. Denn ich habe schon damals bemerkt, dass das Internet eine großartige Plattform zum Pokern ist. Dort konnte ich damals schon 300 bis 400 Hände pro Stunde spielen, während ein Spieler Wohingegen im Casino nur auf 30 Hände pro Stunde kommt. Dadurch hatte ich damals eine sehr gute Möglichkeit No-Limit zu lernen und dies hat mir sehr geholfen, mein Spiel zu verbessern.
Und es ging nur Wettkampf und nicht um Geld?
Ferguson: Nein, es ging tatsächlich nur um Wettkampf. Poker war für mich ein sehr interessantes Spiel und ich wollte gut darin sein. Es mag merkwürdig klingen, aber es ging mir niemals ums Geld beim Pokern. Ich verspreche dir, ich spiele auch bei der WSOP, wenn es um kein Geld geht.
Tatsächlich gab es damals eine Online-Version der WSOP. Sie nannte sich WRGPT – world.rec.gamgling.poker-Turnier und war ein Email-Turnier. Man hat dir per Email deine Hand geschickt und du hast deinen Spielzug zurückgeschickt. Das Turnier war dem Main Event der WSOP nachempfunden, es hatte also die gleiche Struktur. Nur dauerten die Blindlevels bei der WSOP zwei Stunden, während die Levels bei der WRGPT eine oder zwei Wochen brauchten (lacht). Natürlich war das Spiel deutlich langsamer, eine Hand dauerte im Schnitt einen Tag (lacht). Und wenn ein paar Spieler etwas langsamer waren, dauerte eine Hand auch gerne mal drei Tage. Aber es hat unglaublich viel Spaß gemacht. Ich bin damals dort Neunter geworden.
Chris Ferguson gestikuliert im GesprächHat sich dein Leben durch das Pokern seit damals sehr verändert?
Ferguson: Ich vermute ja. Aber nur in dem Sinn, dass Poker jetzt eben das ist, was ich mache und womit ich mich beschäftige. Vor allem reise ich dadurch sehr viel mehr. So bin ich zum Beispiel jetzt gerade hier in Salzburg, ich habe vorher auf Zypern gespielt und werde das WSOP Main Event in London spielen. Auf jeden Fall bin ich durch das Pokern viel mehr unterwegs. Aber im Grunde hat sich meine Persönlichkeit nicht verändert.
Wie würdest du wohl dein Geld verdienen, wenn du nicht pokern würdest?
Ferguson: Ich weiß nicht genau. Ich denke, ich würde am Aktienmarkt handeln. Ich bin sehr gut im Risikomanagement. An der Börse ist es ein wenig wie in der Pokerwelt – viele Leute nehmen Risiken in Kauf, die sie nicht in Kauf nehmen sollten. Und ich bin in der Lage solche Risiken besser einzuschätzen und das sollte mir einen gewissen Vorteil verschaffen.
Eine ganz andere Frage: Ist deine jetzige Erscheinung mit Hut eigentlich dein übliches Outfit oder nur dein Pokerlook?
Ferguson: Nun, es hat als mein Pokerlook angefangen. Poker ist ein Spiel der Täuschung und ich wollte meinen Gegnern einfach nur einen falschen Eindruck von mir geben. Als ich anfing zu spielen, war ich Student und wollte am Pokertisch einfach nur wie ein junger Student aussehen, der womöglich nicht viel vom Pokern versteh. Mit langen Haaren war das auch besonders überzeugend. Und irgendwann hab ich einfach einen Cowboyhut aufgesetzt und auf einmal war ich alles mögliche, nur kein Student mehr.Also ja, es fing als mein Pokerlook an, aber inzwischen laufe ich fast immer mit Hut herum. Außer zu Hause, da nehm ich den Hut ab, im Garten auch und vielleicht auch, wenn ich einkaufen gehe. Aber wenn ich ausgehe oder essen gehe, habe ich den Hut auf.
Du wirst dadurch sicherlich sehr häufig auf der Straße erkannt?
Ferguson: Ja, schon. Alle, die Pokersendungen im Fernsehen gesehen haben oder Pokermagazine lesen, wissen wie ich aussehe. Ich werde sehr häufig auf der Straße angesprochen, aber fast nur von Leuten, die selbst Poker spielen oder verfolgen. Ich denke, das zeigt aber auch, wie sehr diese Welt in den letzten Jahren gewachsen ist und wie sehr Poker inzwischen Mainstream ist.
Chris “Jesus” Ferguson zerteilt eineKarotte mit einer Spielkarte
Du bist ein guter Kartenwerfer, auf der Bühne (bei der MEC in Salzburg) hast du vorhin eine Karotte mit geworfenen Pokerkarten zertrennt.
Ferguson: (schmunzelt)
(Sehr wahrscheinlich lacht er, weil er dafür 42 Versuche benötigte.)
Du hast mit 12 Jahren angefangen, “professionell” mit Karten zu üben. Wie viel Übung würde ich brauchen, um eine Karotte mit einer Karte zu enthaupten?
Ferguson: (mustert meine Arme) Ich habe keine Ahnung.
Na gut, wie lange hat es bei dir gedauert?
Ferguson: Naja, ich habe mit 12 Jahren angefangen, mit 18 habe ich das erste Mal eher durch Zufall Obst zerteilt. Also sechs Jahre (lacht), das sollte auch bei dir reichen.
Dann die letzte Frage. Zur WSOP und Phil Ivey: Hast du Wetten laufen, dass er dieses Jahr den Final Table des Main Events gewinnt?
Ferguson: Nein, ich habe keine Wetten auf Phil zu laufen. Ich würde auch niemals eine Wette gegen Phil Ivey abschließen wollen. Und für eine Wette auf ihn hat mir bisher noch niemand gute Quoten angeboten. (lacht)
Vielen Dank für deine Zeit und das Interview.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 14.09.2009.