Im Rahmen der Full Tilt Million Euro Challenge ergab sich auch die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Sascha Biorac. Mike König knöpfte sich den gebürtigen Wiesbadener vor und bekam das, was er sich erhofft hatte: viele ehrliche Antworten!
Sascha, seit wann bist Du im Team der deutschen Full Tilt Pros?
Seit Januar vergangenen Jahres, also etwa eindreiviertel Jahre.
Und was bedeutet für Dich der Status „Pro“… ganz unabhängig von Full Tilt, sondern eher bezogen auf Dein Leben und das Pokergeschäft?
Also ich mag den Ausdruck „Pro“ ja überhaupt nicht. Selbst beim Tennis weiß man nicht so genau, was der Sportler noch so in seinem Leben macht. Es ist dort zwar einfacher zu definieren: Jemand ist Nummer soundsoviel der Weltrangliste – aber beim Poker gibt es ja mittlerweile nur noch Pokerprofis. Als ich nach einem Finaltable bei der EPT interviewt wurde und man mein „Biographie-Profil“ erstellt hat, haben sie „Semi-Pro“ reingeschrieben. Das finde ich besser, denn ich habe einen Status, in dem ich nicht jeden Tag spielen MUSS, um etwas zu Essen zu haben.
Das heißt, Du gehst – wie man oft liest – noch Deinem Beruf als Versicherungskaufmann nach?
Oh nee, das stimmt so alles gar nicht, was da geschrieben wird. Ich habe nur eine Ausbildung in dieser Richtung gemacht. Aber Du kennst es ja, man wird gefragt was man so macht und was daraus geschrieben wird, ist dann meist etwas ganz anderes…
Also bist Du doch Pokerprofi?
Wie schon gesagt, ich mag den Begriff respektive die Definition nicht, aber ich lebe vom Pokerspielen.
Na gut, dann lassen wir den Begriff nur mal im Zusammenhang mit den „Full Tilt Pros“ so stehen. Hast Du das Gefühl, dass Dir seit der Verleihung dieses Titels mehr Medieninteresse zuteil wird. Ist Dein Leben dadurch öffentlicher geworden?
Ich denke, das Pokerspielen ist prinzipiell öffentlicher geworden. Als ich ganz früher ins Casino gegangen bin, damals noch zu anderen Spielen als Poker, gab es im hinteren Bereich des Casinos einen Tisch oder vielleicht zwei, an denen die „Eingeschworenen“ praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit Poker gespielt haben. Heute ist das anders. Da sitzt einer im Bus neben Dir und macht Chiptricks.
...was nicht zuletzt durch solche Megaevents wie dieses hier (MEC) hervorgerufen wurde und gefördert wird. Pokern ist Pop?
Ja, das ist schon eine Riesen-Nummer hier. Die Werbung drumherum, es ist schon heftig wie groß das ganze geworden ist.
Empfindest Du das „Massenpokern“ als positive Entwicklung für das Spiel?
Als Vorteil für das Pokern: Auf jeden Fall. Aber für diejenigen, die davon spielerisch profitieren wollen: Nein.
Weißt Du, mir ist es eigentlich egal, ob ich nun 2/4 oder 200/400 spiele, die Partie muss stimmen. Ich spiele in beiden Fällen auf jeden Fall solide. Als ich angefangen habe, gab es nur Tische mit Blinds von 50/100 DM. Es gab vielleicht 50 Spieler im südwestdeutschen Raum, die auf diesem Level gespielt haben. Das war eine super Truppe mit echt guten Partien. Und wenn ein Anfänger das Kapital hatte und der Meinung war, spielen zu müssen, setzte er sich zu uns an den Tisch. Heutzutage ist das Angebot einfach weitläufiger. Ein Anfänger spielt heute erst mal an einem kleineren Tisch 2/4 und setzt sich nicht mehr zu den „Cracks“.
...also allgemein auch mehr „Masse statt Klasse“?
Rein auf das Spiel bezogen, zumindest das Cashgame – was bei mir nach wie vor deutlich im Vordergrund steht – ist es mittlerweile nur noch Masse. Jedoch ist das Niveau, gerade von unten her, viel höher geworden. Die Leistungsdichte ist deutlich gestiegen.
Das Konzept Deines Sponsors wirkt dem ja nicht unbedingt entgegen. Speziell Events wie das heutige oder die Heads-up Challenge befördern zudem junge Menschen – ähnlich der Castingkonzepte wie DSDS (Deutschland sucht den Superstar) – von heute auf morgen ins Rampenlicht.
Als ich heute den 20jährigen Heads-Up-Challenge Gewinner und frischgebackenen Poker-Millionär Marco Sander im Interview hatte, bekam ich den Eindruck eines zwar bodenständigen jungen Spielers, der aber dennoch das Bedürfnis einer langfristig angelegten Betreuung, sprich Coaching, weckt.
Was denkst Du, sollte man den jungen Kerl bei der Hand nehmen oder ihn besser seinen eigenen Weg gehen lassen?
Das ist ein gutes Thema. Also ich habe in all den Jahren so viele Spieler kommen und gehen sehen. Eigentlich ist der Verlauf in den meisten Fällen bereits vorprogrammiert. Bei Martin Kläser war es jedoch zum Beispiel nicht so: Er hat ja auch vorher schon viel gespielt und war daher nicht ganz unerfahren. Er macht einen soliden Eindruck und entwickelt sich gut. Ihm ist das ganze nicht zu Kopf gestiegen.
Bei Marco Sander weiß ich nicht, wie erfahren er bislang ist. Die größte Gefahr besteht natürlich darin, dass man sich ohne die notwendige Erfahrung, nur aufgrund der plötzlich vorhandenen riesengroßen Bankroll, in gefährliche Höhen begibt. Aber so lange man langsam das Level steigert und viel übt, kann eigentlich nichts passieren.
Für den Sieger einer solchen „Show“ ist das alles natürlich eine Bombensache. Er steht im Rampenlicht und gehört plötzlich zu den Stars. Und da muss man auch aufpassen…
Auf die Frage, ob sich aus den Reihen der Deutschen Full Tilt Pros schon jemand für eine „Pokerpatenschaft“ für Marco interessierte, hat er verneint. Wie wär’s mit Dir?
Ich wünsche Marco auf jeden Fall, dass er jemanden findet, der ihn an die Hand nimmt, aber das ist schon eine heftige Aufgabe: Wenn man sich das Pro-Team anschaut, sind das alles Einzelkämpfer und Du brauchst jemanden, der die Erfahrung und vor allem die Zeit dafür hat. Es ist ja nicht damit getan, dass man ihm ein paar Dinge erzählt und er dann für den Rest seines Pokerlebens Bescheid weiß. Aber ich glaube nicht, dass bei ihm akute Gefahr besteht, so wie ich ihn kennen gelernt habe, ist er ein sehr solider Typ.
Den Eindruck hatte ich auch. Sascha, letzte (Standard-)Frage: Wo findet man Dich zur Zeit an den Tischen?
Wenn ich in nächster Zeit Turniere spielen sollte, dann EPT. Das sind für mich mit Abstand die besten und stärksten Turniere zur Zeit.
Nicht so gerne spiele ich zur Zeit die „Österreich-Dinger“, die sind teilweise sehr mühsam zu spielen. Das soll jetzt nicht überheblich klingen, aber da vermischt sich zu viel. Meiner Meinung nach sollte man die Buy-Ins gröber staffeln: Meinetwegen 1.000/10.000/100.000 oder eine Gliederung in Ligen: Erste, zweite, dritte. WPT geht mittlerweile, da es auch ein paar Turniere in Europa gibt. Man hat auch nicht immer Lust, ewig zu einem Turnier zu fliegen.
...oder 6 Wochen in Las Vegas zu verbringen…?
Na, doch. Vegas ist schon OK. Letztes Jahr habe ich auch die WSOP gespielt, dieses Jahr hatte ich keinen Nerv dazu.
Die Pressedame drängelt, die Zeit ist um, danke Sascha für das nette Gespräch und weiterhin viel Erfolg!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.09.2009.