Samstag, 5. September. Hamburg. Full Tilt Million Euro Challenge. Messehallen. Erster Stock. Pressebereich. 12.58 Uhr. Von einer extrem netten und extrem hübschen Hostess in Empfang genommen, per Fahrstuhl in den zweiten Stock und in Raum 2 geführt worden. Und da ist er schon und wartet auf mich. Mike Matusow. Sicherlich einer der polarisierendsten und skurrilsten Pokerspieler dieses Planeten. Und – um dem Ende vorzugreifen – ein super Typ. Ein richtiger Typ. Und trotz allen Problemen und trotz allem Starruhm und -rummel ein extrem offener, ehrlicher, lustiger und sympathischer Mensch. Yes, Mike, i like you.
Mike, nice to meet you. Was möchtest Du trinken?
Ein Wasser wäre gut. Danke.
Mike, ich frage jetzt mal 100 jüngere Pokerspieler, wer sie gerne wären. Ich denke mal, 80 von denen würden Mike Matusow sagen. Du weißt, dass Du ein Held, ein Idol bist. Wie gehst Du damit um, das ist doch sicherlich auch eine Last?
No, it makes me feel good. Ich mag es, Inspiration für andere zu sein. Auch mein neues Buch beispielsweise soll Inspiration für die Menschen sein.
Okay, bleiben wir beim Buch. Hierzu nämlich eine Frage von „susi“, eine der Gewinnerinnen von Pokerolymp. Fühlst Du dich „nackt“, wenn Du Leute triffst, die Dein Buch gelesen haben ? Sie wissen doch alles über Dich. Oder wie viel von Dir wissen Sie wirklich?
Ich habe kein Problem damit, so offen zu sein. Und auch ehrlich über mich selber. Ich rede auch offen über alle Dummheiten, die ich gemacht habe. Über meine Drogen und all die anderen Fehler. Und glaube mir, das waren viele. Viele Menschen denken, es ist bescheuert von mir, solch ein Buch zu schreiben und so offen über mich selber zu reden. Aber – ich möchte, dass die Leute begreifen, dass ich es bin. Mike. So wie ich nun mal bin. Und ich möchte den Leuten erklären, was für eine Person ich bin. Ich bin ein guter Mensch. Und das möchte ich den Leuten mitteilen. Auch wenn du Fehler machst, du kannst mit harter Arbeit immer wieder zurückkommen.
Von allen Poker-Superstars hattest Du sicherlich das härteste Leben. Du hast schon alles erlebt. Inwieweit prägt Dich das für Dein Pokerspiel?
Ja, ich habe alles erlebt. Oben und unten. Das ist insofern gut, dass ich niemals mehr zugrunde gehen möchte. Und nie mehr die alten Fehler machen werde. Es ist aber auch insofern schlecht, das ich keine Angst mehr habe. Ich habe kein Problem damit, alles All-In zu stellen und zu verlieren. Allerdings, wenn ich das sechsmal gemacht habe, will ich das dann kein siebtes Mal mehr. Dann werde ich doch kontrollierter.
Apropos Kontrolle – in letzter Zeit wirkst Du wesentlich entspannter und ruhiger. Was hat sich geändert? Machst Du jetzt Yoga oder hast die Ernährung geändert?
Nein. Ich habe gute Therapeuten. Und eine gute Ärztin. Die gibt mir gute neue Medizin. Medizin, die mich kontrolliert und die gegen meine Hyperaktivität und gegen mein Aufmerksamkeitsdefizit ankämpft. Ja, ich bin mehr relaxt, sicher und ruhig.
Mike, wir müssen natürlich, das kann ich Dir und mir nicht ersparen, über „The Mouth“ reden. Bist Du wirklich der lauteste Pokerspieler der Welt? Und wie viel davon ist der echte Mike und wie viel davon ist Hollywood und Showtime?
In der Tat nennen mich die Leute „laut“. Weil meine Stimme so laut ist. Ich persönlich mag meinen Spitznamen überhaupt nicht. Ich kann damit umgehen, aber ich mag ihn nicht. Und dazu kommt, ich rede natürlich auch viel. Das aber unbewusst und freundlich, zumindest versuche ich das. Ich gehe nicht raus an den Tisch und versuche jemand anders zu sein. Ich bin ich. Ich rede einfach laut. Vielleicht bin ich ja schwerhörig oder taub; ich sollte mal meine Ohren checken lassen.
Ist aber der Faktor „Mouth“ nicht auch eines Deiner Merkmale als Spieler? Wie Dein Bauchgefühl oder Bluffen oder Mathematik oder was auch immer ich vergessen habe, auch?
Heutzutage ist es natürlich so, dass jeder Mike the Mouth schlagen will. Darauf stelle ich mich ein. Auch meinen Mouth. Deshalb spiel ich auch viel tighter als noch vor einigen Jahren. Da war ich wirklich ein extrem aggressiver und lauter Spieler. Derzeit suche ich mir meine Spots wesentlich besser aus. Und bin ruhiger und fokussierter. Und das zahlt sich auch aus, in guten Resultaten.
Es gibt wenig Spieler, nach denen Spielsituationen benannt sind. Du hast eine – den berühmt-berüchtigten Matusow Blow Out. Auch wenn Dich das sicherlich viel Geld und viele Chips gekostet hat, nichtsdestotrotz, auch das muss man sich erst einmal erarbeiten. Macht Dich das wenigstens ein bisschen stolz?
Nein, stolz nicht. Weil – das kommt aus der früheren Zeit und resultiert daraus, dass meine Medikation damals falsch war und ich nicht fokussiert war. Heute passiert mir das nur noch ganz selten. Obwohl – vor drei Tagen hatte ich wieder so einen Blow Out. Den ersten seit langer, langer Zeit. Aber das lag daran, das ich krank war. Ich hatte in der Nacht noch einen Doktor auf dem Hotelzimmer. Und dann saß ich beim Turnier und konnte kaum atmen. Ich suche jetzt nicht nach Entschuldigungen, aber ich war mehr auf mein Unwohlsein als auf das Spiel fokussiert.
Mike, Du hast 10 mal versucht „Poker after Dark“ zu gewinnen, es aber nie geschafft. Ist das eigentlich nur frustrierend oder motiviert Dich das sogar?
Das elfte habe ich dann gewonnen. Es ist frustrierend. Aber gerade diese schlechten „Poker after Dark-Sessions“ haben mein Leben verändert. Ich fing an, mein Leben zu ändern. Ich beschäftigte mich mit der Power of positive thinking. Ich habe Bücher darüber gelesen und mich damit auseinander gesetzt. Und die Art und Weise, wie ich dann das Turnier gewonnen habe, ist das beste Beispiel für positives Denken. Ich war im Headsup 8 zu 1 Chipleader, dann lag ich 1 zu 15 zurück. Ich kam wieder und habe dann Andy Black besiegt.
Ist das nicht auch das Schöne an Poker? Oder – lass mich die Frage anders stellen – was ist das Faszinierende an Poker?
Das weiß ich nicht so genau. Ich persönlich liebe es einfach zu spielen. Und ich liebe dieses Spiel. Stundenlang. Und ich liebe es zu gewinnen.
Mike, eine kurze Frage. Mit der Bitte um eine kurze, knackige und spontane Antwort. Was ist Poker?
Ein Geduldspiel. Warten, warten, warten. Warten auf den richtigen Moment und den richtigen Spot, um den anderen das Geld abzunehmen.
Hast du den geilsten Job der Welt?
Ja, in etwa. Vor allem, wenn man so wie ich ein extrem gutes Jahr hatte. Vor allem beim Cash Game.
Früher war Poker etwas romantisch verklärt mehr Sex and Drugs and Rock ´n Roll. Heute doch wohl eher Business und Marketing.
Ja. Das liegt aber auch an der Anzahl der Leute, die spielen. Und die richtig gut spielen. Es wird immer schwieriger zu gewinnen, so dass man zwangsläufig mehr Zeit für das Geschäftliche aufbringen muss. Ich lege viel Wert auf meine PR. Um mich ins Rampenlicht zu setzen, um Geld abseits des Pokertisches zu verdienen.
Mike, ich habe mal behauptet, Poker sei besser als Sex. Stimmt das? Und was würdest Du wählen, lieber eine Nacht mit einer 20-jährigen Brasilianerin oder ein geflopptes Full House?
Ich weiß nicht. Es kommt auf die Frau an. Ich müsste sie mir mal anschauen dürfen.
Sie sieht gut aus. Okay, ich seh schon – vergiss das blöde Full House.
Ja, aber ich muss sagen, ich würde lieber auf Football wetten als Sex zu haben.
Okay?!
Ja, ich bevorzuge American Football.
Gut, dann wechseln wir das Thema. Was ist deine Lieblingsmannschaft?
Das Team, auf das ich wette. Und das gewinnt.
Apropos Gewinnen bzw. Verlieren. Eine Frage von unserem Leser „stefan voodoo“: Brauchst Du eigentlich eine neue Autoversicherung, nachdem du Scottys Auto demoliert hast?
Oh, ja, ich habe dabei festgestellt, dass mein Auto gar nicht versichert war. So musste ich Scotty 8.500 Dollar cash zahlen. Und mein Auto ist noch in der Werkstatt.
Dein Auto passt ja hier zur Location. Du fährst ein german car!
Ja. 645 csi BMW Cabrio. Ich liebe dieses Auto. Das beste Auto aller Zeiten. Amazing.
Hörst Du in deinem Auto eigentlich auch Musik? Denn dazu habe ich noch eine Gewinnerfrage, von leo „your2good“. Du hast einen berühmten Cousin, den Musiker Greg Haptor. Ist das Dein Musikstil?
Ja, ich liebe sein Musik. Und ich mag ihn, er ist ein großartiger Typ. Und ich feature natürlich auch seine CD auf meiner Homepage.
Mike, wenn Du anhand von zwei Pokerkarten dein aktuelles Leben beschreiben müsstest, welche Karten würdest Du wählen?
Zwei Asse und 72 offsuit.
Zwei Karten. Oder reden wir jetzt über Omaha?
Nein, aber genau das ist mein Leben. Auch das aktuelle Auf und Ab. Vielleicht bin ich heute bei Queen Jack suited. Vor drei Wochen noch war ich die beiden Asse. Aber dann habe ich einen Abend viel verloren. Aber auch das gehört dazu, das ist schon okay. Trotzdem ist mein Leben gut zur Zeit.Es ist interessant und ich habe viel Spaß. Ich bin irgendwie berühmt, irgendwie reich und irgendwie Single. Ich war noch nie reich und berühmt als Single. Das wird wirklich viel Spaß bringen.
Wow. Zocken vom Feinsten. Lass uns über dieses Gambling-Gen reden. Oder anders gefragt – als Topspieler brauchst Du ja häufiger die Nuts; aber es hilft doch auch, öfter mal „nuts“ zu sein, oder?
Ja klar. Und ich bin auch ein wenig nuts. Auf der Nuts-Skala, die bis 10 geht, bin ich wohl eine gute 7,5. Und das gebe ich auch ehrlich zu. Ich bin etwas nuts, aber ich bin auch ein lustiger Mensch. Und ich bin ein ehrlicher Mensch. Du siehst, dass ich dich nicht anlüge. Es gibt keine Frage, auf die ich dir keine ernste, ehrliche Antwort geben würde.
Wenn ich zehnmal gegen dich Heads-Up spielen würde. Gleiche Chips. Wie oft würdest Du gewinnen?
Wie gut spielst Du ?
Gut. Sehr gut. Exzellent. Das war jetzt Udo the Mouth. Und geblufft.
Wenn du täglich spielst und täglich Heads-Up spielst, gewinne ich höchstens 50 %. Wenn Du das nicht machst und nur einmal im Jahr pokerst, schaffe ich 80 %.
Letzte Frage. Wer ist der beste Pokerspieler der Welt? Außer uns beiden?
Keine Frage. Phil Ivey. Kein Nachdenken, keine Diskussion.
Mike, danke vielmals für deine offenen Worte und das tolle Interview. Ich habe es sehr genossen.
Ich auch.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 08.09.2009.