Es ist amtlich: Jan von Halle ist nicht mehr für Intellipoker verantwortlich. In der Szene wurde über die Hintergründe lange gemunkelt und spekuliert. In unserem Exklusiv-Interview spricht Jan von Halle nun erstmals über die Faktoren, die zu seinen Ausscheiden bei IntelliPoker geführt haben.
Jan von Halle hat IntelliPoker.de vor zwei Jahren mit Hilfe von PokerStars gegründet und konnte seither beträchtliche Userzahlen vermelden. Prominente Autoren und fundierte Beiträge zum Thema Poker sind seither das Markenzeichen von “Intelli”, wie die Seite in der Pokerszene genannt wird.
Warum hast du dich von IntelliPoker getrennt?
Ich war mit dem Konzept angetreten, ein Angebot mit den gleichberechtigten Komponenten Pokerschule, Pokercommunity und Pokernachrichten aufzubauen, also ein komplettes Pokerportal. Vielfältige Promotions wie WSOP-, PCA und WPT-Plätze, sowie der Anschluss an das PokerStars-FPP-System sollten für entsprechenden Zulauf und Motivation sorgen, die Besucher von ihren angestammten Seiten hinüber zu IntelliPoker zu holen. Zunächst war auch alles gut und PokerStars und ich haben gemeinsam auf dieses Ziel hingearbeitet. IntelliPoker hatte einen fantastischen Erfolg in Bezug auf Mitglieder, Traffic und anderen wichtige Schlüsselzahlen.
Ab dem Frühjahr 2008 habe ich aber zunehmend mit PokerStars Diskussionen geführt, wie die strategische Ausrichtung der Seite aussehen soll. Dies führte dann dazu, dass IP von jetzt auf gleich nur noch Nachrichten mit Bezug zu PokerStars bringen durfte. Fremde Turniere, Spieler und Seiten waren seit diesem Zeitpunkt für uns Tabu. Ich habe die von mir angestrebte Newspolitik mit Klauen und Zähnen verteidigt, konnte mich aber letztendlich nicht durchsetzen. Abgesehen hiervon ging der Auf- und Ausbau aber munter weiter, z.B. mit weiteren Sprachen.
Im Herbst 2008 dann der nächste Diskussionspunkt: PokerStars hatte Bedenken bzgl. der (fix und fertigen) englischen Version von IP, da ja sehr sehr viele PokerStars-Spieler dann ihren Weg zu IP gefunden hätten, und die Kosten sind erheblich, man denke nur an die Quizze. Insgesamt ist eine Investitions-Zurückhaltung zu spüren gewesen, die neu war.
Es stellte sich also die Frage, ob meine ehrgeizigen Ziele noch mit denen von PokerStars zu vereinbaren waren. Nach diversen Gesprächen haben wir dann Anfang 2009 die Antwort gefunden: nein.
Wann stand für dich fest, dass du IntelliPoker verläßt?
Ende Januar 2009. Pokerstars hatte sich nach diesen anhaltenden Diskussionen zu einem Strategiewechsel entschlossen, der das Produkt IP neu definiert, und es war klar, dass ich diesen Weg nicht mitgehen würde, weil ich ihn für grundfalsch halte. Damit hat PokerStars sich letztendlich auch zu einem Ende unserer Zusammenarbeit entschlossen.
Man muss aber deutlich sagen, dass diese Trennung nicht im allergeringsten im Streit erfolgt. Ich mache PokerStars keinerlei Vorwürfe, es ist ihr gutes Recht, zu bestimmen, was mit ihrem Geld unternommen wird, und ich würde sogar sagen, im Zweifelsfall hat PokerStars eher Recht als ich – man baut nicht so ein erfolgreiches Unternehmen auf, ohne die richtigen langfristigen Entscheidungen zu treffen.Umgekehrt gibt es auch keinerlei Vorwürfe gegen mich. Der einzige Trennungsgrund sind die unterschiedlichen Zielvorstellungen und meine Weigerung, die neue Produktstrategie verantwortlich zu leiten.
Wie hast du persönlich die zum Teil negative Berichterstattung in den Medien und die Kommentare in diversen Foren im Vorfeld erlebt?
Also erstens bin ich durchaus sturmerprobt und kann Kritik gut aushalten. Zweitens sind solche Zeiten der Unsicherheit immer gute Gelegenheiten, für Neider und Günstlinge aus den Löchern gekrochen zu kommen. Was ich vorhatte, hat ja sehr viele Menschen direkt und indirekt betroffen, nicht alle davon positiv. Hätte ich mich mit meinen Vorstellungen durchsetzen können, wären ja zum Beispiel auch Seiten wie PokerOlymp.de direkt attackiert worden und hätten es heute sicherlich deutlich schwerer, ihre Angebote aufrechtzuerhalten.
Tatsächlich war ich dann doch ein wenig erschrocken über so mache „Freunde“ und Bekannte. Da wurden die wildesten Gerüchte herumgetragen. Allerdings habe ich auch sehr viel Zuspruch erhalten, teilweise auch von recht unerwarteter Seite.
Wie bewertest du die derzeitige Situation und die Zukunft von IntelliPoker?
Mir war ja bekannt, was die Strategieänderung von PokerStars mit sich bringen würde, nämlich inhaltlich ein eingeschränktes Angebot, weniger Promotions- und Bonusaussschüttungen sowie damit verbunden eine Senkung der Betriebskosten durch Personaleinsparungen und andere Maßnahmen. Als Beispiel seien hier Reduzierung des Personals und nur die erst in 2008 bezogenen großen Büroflächen genannt (die mit sämtlichen Umzugs- und Einrichtungskosten durch PokerStars ausdrücklich genehmigt wurden), die jetzt nach nicht einmal sechs Monaten wieder aufgegeben werden sollen. An diesen Beispielen mag man auch nachvollziehen, warum ich nicht bereit war, den neuen Weg mitzugehen. Inhaltlich hatte ich immer die Hoffnung, den Anfängerbereich um Content für fortgeschrittene Spieler in allen Spielvarianten zu erweitern, weil ich auch glaube, dass dies für PokerStars einen positiven Effekt hätte, aber dies ist jetzt offensichtlich in weite Ferne gerückt.
IntelliPoker wurde oft dafür kritisiert, eine Plattform nur für Einsteiger, quasi eine Fischfarm, zu sein. Das war nicht mein Konzept und 2009 hatte ich erhebliche Arbeiten für entsprechend weiterführenden Content eingeplant.Meine Meinung ist offensichtlich und klar: PokerStars verpasst hier eine Gelegenheit, nach dem Dominieren des Online-Pokerspiels auch die Online-Informationsangebote in gleicher Weise zu dominieren und alle Wettbewerber auf die Plätze zu verweisen. Sogar der Name „IntelliPoker“ wäre nur ein Zwischenschritt gewesen hin zu einer großen Onlinecommunity unter dem Dach von PokerStars.com. Warum für Liveupdates zu Pokernews, für EPT Live zu PokerStars.tv, für gute Pokerdiskussion zu 2+2 oder PokerStrategy und für die besten News zu PokerOlymp gehen?
Ich jedenfalls kann der derzeitigen Situation bei PokerStars mit sehr vielen separaten Angeboten (pokerstars.com, ept.com, pokerstars.tv, intelipoker.com, pokertoday.com etc.) nicht viel Positives abgewinnen. Hier wird zu viel voneinander getrennt und doppelt gearbeitet.
Interessanterweise sehe ich privat das übrigens durchaus anders: die Pokerwelt ist durch die vielen unabhängigen und weitgehend selbstfinanzierten Angebote viel interessanter und bunter. Das von mir empfohlene und verfolgte Szenario benachteiligt ganz klar alle, die nicht bei PokerStars spielen, Infos auch von außerhalb des PokerStars-Universums finden wollen oder der Seite gegenüber irgendwie kritisch eingestellt sind.
Was hältst du von den Vorwürfen diverser Webseiten, dass angeblich Geld bei IntelliPoker verschwendet worden ist? Welche der Vorwürfe hat dich am meisten gestört?
Nun, mich hat gestört, dass es überhaupt solche Vorwürfe gibt, aber ich bin auch nicht wirklich überrascht davon. Meine Produktstrategie war ehrgeizig und die Zeit knapp. Ich möchte Mitarbeiter und Zulieferer so behandeln, wie ich selber behandelt werden möchte, und die immensen Anforderungen an Einsatz und Zeit, die ich durchaus gestellt habe, mit einer positiven Arbeitsatmosphäre und einer angemessen Entlohnung abgelten.
Dazu muss man wissen, dass es ja bei weitem nicht so zugeht, wie mache sich das vielleicht vorstellen, nach dem Motto: „Hier sind die Millionen, nun mach mal“. PokerStars hat ausgefeilte und detaillierte Anforderungen an das Aufstellen von Budgets und Forecasts und alles muss vorgestellt und abgesegnet werden.
Zwei der vieldiskutierten Beispiele: ein Billiardtisch im Büro und eine Physiotherapeutin, die 1x die Woche im Büro jeden Mitarbeiter für 20 Minuten den Rücken und die Schultern massiert hat. Beides hat für Aufregung gesorgt (und mag insofern politisch von mir fragwürdig gewesen sein). Ich verstehe diese Diskussion nicht: wer meint, um effektiv in diesem Business zu arbeiten, müsse man allein in seinem Zimmerchen hocken und nicht mit seinen Kollegen kommunizieren bzw. in jedem Gespräch müsse es konzentriert ausschließlich und das Thema gehen, lebt in der Arbeitswelt von anno dazumal. Und Mitarbeitern, die freiwillig auch schon mal 12 oder 14 Stunden und nicht selten am Wochenende ihre Zeit im Büro (oder Medienräumen von Turnieren) verbringen, mit einer Physiotherapeutin in Schuss zu halten, ist sowohl angemessen als auch klug investiertes Geld, meine ich.
Mehr enttäuscht bin ich über die 2-3 Personen, die mit dem Verbreiten von hanebüchenen und falschen Geschichten ihre eigenen Interessen verfolgt haben. Zum Glück und Dank meines guten Verhältnisses zum Top-Management von PokerStars ist hier kein Schaden entstanden, aber ob sich die Betreffenden hier auf lange Sicht nicht doch einen Bärendienst erwiesen haben, wird sich für diese erst noch herausstellen.
Wer übernimmt nach dir die Leitung von IntelliPoker?
Letztendlich PokerStars. Nachdem zuvor ich die Leitung hatte, mich in vielen Dingen mit PokerStars im Vorfeld abgestimmt habe, dann aber die Details selbstständig mit meinem Team ausgearbeitet und umgesetzt habe, ist PokerStars jetzt viel direkter involviert.
Welche Auswirkungen hat dein Ausstieg bei IntelliPoker auf deine sympathische Ehefrau Katja Thater? Wird sie weiterhin bei PokerStars spielen?
Das war auch so ein Thema, das so manche zu wilden Spekulationen veranlasst hat. Etwas verschärft wurde das noch, weil Katja weder die EPT Deauville noch die EPT Kopenhagen gespielt hat. Hintergrund war, das Katja für diese beiden Turnier wie bereits in 2008 vereinbart nicht gesponsert wurde. Zum TV-Cashgame „German High Rollers“ war Katja dann tatsächlich nicht eingeladen, ich vermute weil man um ihre Abneigung gegen No-Limit Holdem wusste. Katja spielt ja im Cashgame praktisch ausschließlich Pot-Limit Omaha, Limit Hold‘em oder Mixed Games.
Katjas Vertrag wurde nach meinem Ausscheiden bei IntelliPoker gerade erst kürzlich um ein weiteres Jahr verlängert, was alle diesbezüglichen Spekulationen beenden sollte.
Welche Zukunftspläne hast du? Wirst du als Berater bei IntelliPoker bleiben, eine andere Pokerseite managen oder dich eher auf das Pokerspielen konzentrieren?
Zur Zeit konzentriere ich mich auf das Pokerspiel, insbesondere darauf, mein Spiel dem aktuellen Stand anzupassen und für mich passende Antworten auf verschiedene Fragen nach Spielstrategie, Bankrollmanagement, Turnierauswahl usw. zu finden.
Das hört sich komisch an für jemanden, der gerade über 2 Jahre eine Pokerschule aufgebaut hat. Tatsächlich ist es aber so, dass die Business-Seite so dramatisch viel Arbeit verursacht hat, dass ich mit dem eigentlichen Pokercontent sehr wenig Kontakt hatte. An den Trainings bei IntelliPoker etwa habe ich, außer wenn es um technische Reviews oder Analysen ging, praktisch nie teilgenommen.Meine Zeit als Berater bei IP ist bereits vorbei; nach der Entscheidung Ende Januar war ich noch einige Wochen dabei, um mein Wissen zu übergeben.
Bis zur WSOP sind es ja nur noch 4 Wochen und davor liegen auch noch diverse Turniere wie die PokerOlymp Open 5, an denen ich selbstverständlich teilnehmen werde (Katja kann leider nicht kommen, sie spielt das RPT in Moskau).Ich habe verschiedene Ideen und auch ein paar Anfragen, mit denen ich mich nach der WSOP auseinandersetzen werde. Bis dahin nehme ich mir sozusagen „Urlaub“. Wer also noch etwas für mich hat…
Du hast ja letztes Jahr bei der WSOP Bomben-Ergebnisse erzielt. Wie sieht deine WSOP Planung für 2009 aus?
Vor allem flexibel. Katja und ich werden am 28. Mai nach Vegas reisen und dann schauen. Ich denke, dass ich viele der kleineren und mittleren Events spielen werde und mich für die 10.000 Events per Satellite vor Ort zu qualifizieren versuche. Ich bin jetzt schon viel optimistischer als letztes Jahr, habe mein NL Spiel besser beieinander und übe auch fleißig H.O.R.S.E. und 8-Game.
Katja hat bereits einen WSOP-Qualifier für das Main-Event gewonnen (sie würde das Turnier aber sicherlich sowieso spielen) und ich werde ebenfalls versuchen, ein oder mehrere Packages online zu gewinnen, die ich dann für die diversen 10k Events verwenden würde.
Dieses Jahr habe ich ja nicht wie letztes Jahr den Stress, in kurzer Zeit so viel Poker wie möglich unterbringen zu wollen, und werde das ganze deutlich relaxter angehen lassen. Wir haben uns für die WSOP in der „Luckbox-Villa“ einquartiert und sehen einer lustigen Zeit mit vielen guten und netten Spielern entgegen.
Ich wurde bereits vorgewarnt, das diesjährige Moneygame in der Villa könnte „Die Siedler von Catan“ werden, was ich noch nie gespielt habe – mal sehen, ob ich mich am Ende noch erinnern kann, was ein Royal Flush überhaupt ist…
Wirst Du wieder beim H.O.R.S.E.-Event mitspielen?
Beim 50k höchstwahrscheinlich nicht. Letztes Jahr hatte ich einen Deal mit mir selbst, weil ich dieses Turnier doch unbedingt einmal im Leben mitspielen wollte: bin ich zu Beginn des Turnieres für die ganze WSOP im Plus, würde ich es mitspielen. Nach meinen vier Cashes war dies der Fall und so habe ich mich eingekauft, was die WSOP 2008 insgesamt für mich dann leider zu einem Minus gedreht hat.
Dieses Jahr wird es ähnlich sein, allerdings mit der Änderung, dass es mir nicht reichen würde, irgendwie im Plus zu sein, sondern das komplette Buyin müsste bis dahin schon gewonnen sein. Allerdings werde ich an den speziellen 2.500er Satellites teilnehmen und so auf diese Weise versuchen, einen Seat zu gewinnen.
Wirst du deinen Blog 50outs.com wiederbeleben?
Ich überlege noch. Einerseits habe ich schon Lust, wieder zu schreiben, ich denke, ich komme gut rum und kann einiges von dieses Reisen und Erlebnissen berichten, anderseits denke ich mir, wen soll das noch interessieren? Als Spieler bin ich einer von ganz vielen, nicht der beste, nicht der erfolgreichste und sicherlich auch nicht der beste Schreiber, zumal auf Englisch. Dazu kommt, das Thema Pokerblog ist irgendwie sehr abgeschmackt inzwischen (oder kommt mir jedenfalls so vor nach meiner IntelliPoker-Zeit). Was ich machen werde, sind sogenannte Microblogs, also Twitter-Updates (www.twitter.com/50outs), die auch auf meiner Seite www.50outs.com und bei Facebook zu sehen sind.
Vielen Dank für das Interview
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 07.05.2009.