„Als ehemaligem Polizisten kann mir keiner erzählen, dass Pokern ein Geschicklichkeitsspiel ist – das ist ein absolutes Glücksspiel.“
Innenminister Karl Peter Bruch – Rheinland Pfalz
Offener Brief an Innenminister Karl Peter Bruch, an alle ehemaligen Polizisten, an alle arbeitslosen Wissenschaftstheoretiker und an niemand Bestimmten
Meist sind sich genau die am sichersten, deren Horizont absolut frei ist vom kleinsten Bildungswölkchen. Wer nichts weiß, kann nicht zweifeln. Das ist rührend und auch irgendwie ganz praktisch. Peinlich nur, dass der Lieben Gott sich herzlich wenig um unserer irdischen Sprichwörter kümmert. Da gibt ER doch glatt dem Karl Peter Bruch das Amt, aber mir den (Sach)Verstand. Umgekehrt wäre es besser – zumindest für die Pokergemeinde in Rheinland-Pfalz.
Entscheidungen mit eigenem Erleben zu begründen, gibt einem etwas sympathisch Lebensnahes. Wir erinnern uns gerne an den spitzbübischen Bill Clinton. Klar habe er in vergangenen College-Tagen schon mal einen Joint in der Hand gehabt. Aber ebenso selbstverständlich ohne zu inhalieren. Unter allen, die das wirklich glauben (und die vor allen Dingen mir glauben) wird ein Candlelight-Dinner mit Monika Lewinsky verlost. Einsendungen hier http://billclintondailydiary.blogspot.com/ . Der Rechtsweg ist ausgeschlossen und bitte nicht vergessen meine Grüße auszurichten.
Karl Peter Bruch hat auch mal Poker gespielt und steht dazu. Immerhin! Nachzulesen in einem WELT Online-Interview
http://www.welt.de/welt_print/article2037314/Wir_verbieten_das_Pokern_weil_es_suechtig_macht.html. Redakteurin Gisela Kirschstein.eröffnet das Gespräch mit der Frage aller Fragen:
WELT Online: „Herr Minister. Haben Sie schon einmal Poker gespielt?“
Karl Peter Bruch: „Das ist vielleicht 20 Jahre her.“
WELT Online: „Aber Sie haben schon einmal gepokert.“
Karl Peter Bruch:„Ja, ich habe schon mal gepokert. Ich habe auch schon mal Roulette gespielt. Ich war mal als junger Kriminalbeamter in dienstlicher Mission in der Spielbank Bad Neuenahr eingesetzt.“
Und wieder zerplatzt eine kleine Illusion. Nach meiner Erinnerung an die alte deutsche Heimat geht es da so ordentlich zu. Entscheidungen basieren auf Erkenntnissen. Dinge und Sachverhalte werden geprüft und überprüft und erst wenn alle die gut honorierten Fachleute getan haben, was zu tun ist, folgt der Erlass des Ministers.
Vor 20 Jahren, noch dazu „in dienstlicher Mission“, ist doch ein wenig dürftig und auch „ehemalige Polizisten“ hätten das verbriefte Recht auf Erkenntniszuwachs. Obwohl sich das vielleicht in seinem Stand nicht wirklich ziemt. Zu schade aber auch, dass sich kein arbeitloser Wissenschaftstheoretiker für den Job des Innenministers in Rheinland-Pfalz gefunden hat. Statt ein dienstlich missionarisches Dogma aufzustellen, würde sich da an die Kunst der Falsifikation gewagt.
Was interessiert, was Herrn Karl Peter Bruch „keiner erzählen kann“? Das Waffendepot der Ignoranz ist vielfältig. Man kann nicht fragen, man kann nicht zuhören und wenn alles nicht hilft, wäre vielleicht gleichzeitiges Zuhalten beider Ohren angesagt.
Karl Popper mag in Mainzer Fastnachtskreisen ob seines Familiennamens als Ballermann-DJ durchgehen. Meine Ermittlungen bestätigen aber ein völlig anderes Berufsbild. Jedenfalls eine spannende Herausforderung, die Aussage vom „absoluten Glückspiel“ zu verifizieren, vielleicht auch ein wenig zu validieren. Wenn der Mut dann reicht, wird als Dessert falsifiziert und spätestens dann würde die obige Aussage am unendlichen Müllberg der wertlosen Politikerzitate verwittern.
Schade, dass Gisela Kirschstein die in ihrem sonst wirklich gut geführten Interview nicht nachgefragt hat. Vielleicht war es einfach die Milde der so schönen und warmen Jahreszeit. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich Innenminister Karl Peter Bruch nicht so ohne weiteres ziehen lassen. „Wenn Ihnen als „ehemaligem Polizisten“ keiner etwas erzählen kann, was müsste passieren, dass Sie Ihre Aussagen vom „absoluten Glückspiel“ neu überprüfen?“ Und schon wären wir in einer Diskussion. Nach platten Aussagen und verzichtbaren Reminiszenzen an dienstlichen Missionen wäre das immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.
Götz Schrage
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 27.05.2008.