Ein kurzer Chat mit großen Folgen. PokerOlymp-Experte und Schachgroßmeister Jan Gustafsson im Gespräch mit Ben Johnson, dem sensationellen Zweitplazierten des großen EPT-Events in Baden. Profis unter sich im Gespräch. Interessant, witzig und lehrreich zugleich. Über Turnierstrategien und Curry- Wurst.
Alles fing an mit einem harmlosen AIM Chat:
Ich:„Hi Yakov, it’s Jan. I gotta go to the EPT in Baden to take some pictures for PokerOlymp.Why don’t you guys come over and play in the tournament?”
“Sure, we are bored anyway. I’ll play the qualifyier on Pokerstars tonight and I’ll ask Ben to come along”
10 Stunden später kam die Vollzugsmeldung:
„We are coming to Baden. I won a seat, Ben is also coming. See you there!”
Yakov und Ben sind Yakov Hirsch und Ben Johnson, zwei alte Freunde aus New York, die sich in den letzten Jahren von Schachtrainern zu erfolgreichen Highstakes Pokerspielern gemausert haben.Ihr Trip sollte erfolgreich werden. Während es Yakov bei im Hauptturnier kurz vor dem Geld erwischte, war für Ben erst im Heads-up Endstation. Über den entgangenen Sieg hinwegtrösten kann er sich mit dem Preisgeld von ca. 250.000 €.
Nach dem Turnier gingen die beiden auf Germany-Tour und sind gerade zu Besuch bei mir in Hamburg. Während Yakov sich auf der Reeperbahn herumtreibt, nutze ich die Chance, Ben im Dienste von PokerOlymp auszuquetschen.
PokerOlymp: Ben, kannst du uns erzählen, wie du zum Pokern gekommen bist?
Ben Johnson (29): 1999 habe ich als armer College-Student den Film „Rounders“ im Kino gesehen. Ich hatte vorher keine Ahnung, worum es da ging und war auch noch nie mit Pokern in Kontakt gewesen. Aber nach dem Film hat es mich sofort gepackt, ich habe in derselben Nacht noch das Lee Jones Buch bestellt und bin am nächsten Tag mit einem Kollegen in ein Kasino gefahren. Ich habe zwar gleich 45 Dollar verloren, was damals viel Geld war. Aber das Fieber hatte mich gepackt.“
PokerOlymp: Wie ging es dann weiter? Wie hast du es geschafft, zu einem winning player zu werden?
Ben Johnson: Ich bin wenig später nach New York gezogen. Zusammen mit ein paar Freunden, die ich vom Schach kannte, habe ich versucht, Poker zu lernen. Es gab damals nicht viele Bücher, Lee Jones und Sklansky. Wir wollten spielen, aber das war nicht so einfach. Online Poker war noch in den Kinderschuhen, und offizielle Casinos gab es in New York nicht. Es war ein offenes Geheimnis,
dass es einen Club gab, den „Diamond Club“, wo gespielt wurde. Aber da reinzukommen war nicht so einfach, man brauchte jemanden, der einen dort einführte. Schließlich hat uns ein Asa Hoffman, ein bekannter New Yorker Schachspieler, an die Hand genommen. Ihr kleinstes Spiel war ein 4/8 Limit Holdem. Recht hoch, um das Spiel zu lernen, aber was anderes gab es halt nicht. Dort sind wir über Jahre hingegangen, mit gemischtem Erfolg. Insgesamt denke ich, dass wir „breakeven player“ waren, also etwa +/- 0 gemacht haben.PokerOlymp: Wann kam dann der Durchbruch?
Ben Johnson: Mitte 2003 war ich etwas frustriert. Ich war des live Spielens müde und immer noch kein großer Gewinner. Mein Freund Greg Shahade erzählte mir von dieser neuen Seite, PartyPoker. Ich habe dort 150 Dollar eingezahlt und mit 2/4 Holdem angefangen. Und gewonnen! Ich habe mich in den Limits hochgearbeitet und inzwischen ein paar hunderttausend Dollar auf Partypoker gewonnen. Ohne je einen weiteren Cent einzuzahlen. Dazu kamen auch die ersten Turniererfolge, bei einem unserer Trips nach Atlantic City qualifizierte ich mich für das WPT Event im Borgata und gewann dort 13.000 Dollar. Dieser Erfolg und gegen berühmte Spieler wie Carlos Mortensen und Jennifer Harman bestanden zu haben, gab mir viel Zuversicht, die auch meiner online Karriere geholfen hat.
PokerOlymp: Es sollte nicht dein letzter Turniererfolg bleiben. Wieviel hast du bisher an Preisgeld erbeutet und was sind deine besten Ergebnisse?
Ben Johnson: Der 2. Platz in Baden ist definitiv mein größter Erfolg bisher. Das Feld in Europa war sehr viel stärker, als was ich von US-Turnieren gewohnt bin. Ich hatte vorher schon einige Erfolge, meine Turniergewinne belaufen sich auf etwa 700.000. Aber bei meinen ersten guten Ergebnissen hatte ich häufig das Gefühl, einfach Glück gehabt zu haben. Ich habe nur tight gespielt, hatte aber nicht den Mut, groß zu bluffen oder viele moves zu machen. Inzwischen habe ich mehr Erfahrung und kann Spieler besser einschätzen. Dazu kommt, dass ich dank meiner Erfolge weitgehend angstfrei spielen kann. Früher wusste ich häufig, was der richtige move ist, habe mich aber nicht getraut, weil das Geld zu wichtig war oder ich nicht blöd dastehen wollte. Inzwischen tue ich es einfach!
PokerOlymp: Erzähl uns ein bisschen über deine Schlüsselhände in Baden. Wie lief das Turnier insgesamt?
Ben Johnson: Es ging schlecht los. Ich verlor gleich eine große Hand. Ein starker Schwede raist bei 50/100 Blinds auf 300. Ich habe KK und calle nur. Der Flop kommt AK2 und wir kriegen alle Chips in den Pot. Er hatte AK und trifft auf dem River das A… Danach hatte ich nur noch 2200 von den 10.000 starting chips übrig. Danach kam ich aber besser ins Turnier,
verdoppelt mit KQ gegen K9 und KK gegen QQ und konnte den ersten Tag mit 35.000 beenden, guter Durchschnitt. Ich war sehr glücklich, den ersten Tag so zu überstehen, so ein starkes Feld hatte ich noch nie gesehen. Den ganzen Tag kein schwacher Spieler am Tisch!PokerOlymp: Am 2.Tag war dann nur noch 1/3 des Feldes übrig. Wie ging es weiter?
Ben Johnson: Diesmal gings gut los, mit AK in Kreuz raise ich vor dem Flop und treffe einen 943 Kreuz Flop. Der Big Blind check-raist allin, ich calle. Er hat 33. Natürlich bin ich der Favorit, aber ich hatte Glück, Turn und River heil zu überstehen.
Ich gewann ein paar mehr Hände und hatte um die 65.000 Chips. Aber dann fing es an, schlechter zu laufen. Keine spektakulären Hände, aber die Blinds wurden teurer, ich musste auf ein paar reraises vor dem Flop folden und traf die Flops nicht. Naja, jedenfalls ging es runter von 65 auf 25tausend.Dann eine wichtige Hand. Ich habe AK und raise bei 500/100 Blinds auf 3000. Der button, wieder ein Schwede mit einem Haufen Chips, reraist auf 9000. Ich glaubte zwar nicht wirklich, dass er folden würden, wenn ich nun allin gehe, aber ich sah keine Wahl. Alles was ich weiss ist, dass er Schwede ist, aggressiv und viele Chips hat! Ich also allin, er callt mit JJ.Auf dem Flop ein K, durchatmen! Das ist die Art Glück, die man halt braucht, um in einem Turnier weit zu kommen. Danach hatte ich wieder chips und war bis kurz vor Schluss gar nicht mehr allin.Später gab es eine weitere entscheidende AK Hand. Blinds schon bei 5000/10000 mit 1000 Ante. Ich hatte ca. 100.000. Andrew Black raist Under the Gun allin für 65.000. Ein mir unbekannter Ungar, der neu an den Tisch kam, callt für ungefähr die Hälfte seiner Chips. Ich bin im Big Blind und finde AK in Kreuz. Das war eine große Entscheidung.
Zunächst war mir klar, dass Andrew Black so gut wie alles haben könnte. Er raist 60.000, um fast 25.000 zu gewinnen, die schon im Pot waren. Ich weiss genug über ihn , um sicher zu sein, dass er nur auf Sieg spielt und hierfür keine große Hand braucht. Über den caller wusste ich zwar nichts, aber die wahrscheinlichsten Hände schienen mir ein Paar kleiner als KK (weil ich ja AK halte) oder eine Hand die ich dominier, wie AQ oder AJ. Ich kriege also einen sehr guten Preis mit AK und bin höchstwahrscheinlich kein großer Aussenseiter, folden kam nicht in Frage.
Es ging nun also darum, ob ich vor dem Flop allin gehen sollte oder nur callen. Danach habe ich nur noch 35.000, bin also „pot comitted“. Aber callen (und den Rest auf dem Flop setzen) hat den kleinen Vorteil, dass der Ungar vielleicht seine Hand auf dem Flop foldet. Vor dem Flop foldet er niemals mehr, ich konnte mit nur callen also nichts verlieren, aber vielleicht etwas gewinnen.Der Flop kam nun K77. Nun wollte ich, dass er dabeibleibt. Also Planänderung. Ich checke, und wie erhofft, geht er allin. Call, er zeigt AJ, Andrew Black J10. Beide haben so gut wie keine outs!Danach hatte ich Chips, gewann noch ein paar Hände und erreichte den Final als Chipleader mit 850.000
PokerOlymp: Dann kam der Final Table. Kanntest du einige deiner Gegner und was war dein Eindruck? Hattest du eine Strategie?
Ben Johnson: Ich hatte stundenlang am vorigen Tag mit dem Schweden Jonas Molander gespielt. Ich wusste, dass er ein sehr guter und gefährlicher Spieler ist und war froh, gegen ihn in Position zu sitzen. Position hatte ich auch gegen Dario Minieri, den jungen Italiener. Er hat auf Pokerstars soviel gespielt, dass er für seine Players points einen Porsche bekommen hat! Auch ihn hielt ich für gefährlich.Allgemein braucht man sehr viel Glück in Pokerturnieren. Nicht nur die coinflips gewinnen und dass keiner AA im Big Blind findet, nachdem man jemanden reraist.
Auch die Tischauslosung ist sehr sehr wichtig. Und ich hatte Riesenglück, meine beiden aggresivsten Gegner direkt zu meiner rechten zu haben. Dieser Faktor allein war für mich schon einiges wert. Von Yakov wusste ich, dass auch Peter Eichhardt sehr aggressiv war und versuchen würde, „table captain“ zu spielen. Aber er war dann als erster raus, so dass es nicht dazu kam.Mein Plan war zunächst, tight zu spielen. Ich wusste, dass die meisten am Tisch keine Angst haben würden, all ihre Chips zu setzen. Ich wollte daher nicht unbedingt versuchen, viele Blinds zu klauen. Sondern eher mein tightes Image nutzen, um hier und da zu reraisen und es glaubhafter zu machen, dass ich eine gute Hand habe.
Ich habe dann zwar nicht viel gereraist, aber es ist mir ganz gut gelungen, schwierige Situationen zu vermeiden und meine Chips zu halten.Eine Schlüsselhand gab es doch. Ich raise vom button mit 99 auf 40.000. Der Belgier im Big Blind reraist auf 200.000. Ich hatte schon mit ihm gespielt und wusste, dass er sehr gerne aus den Blinds reraist. Sobald ich meine 99 sah, wusste ich, dass ich gegen seine reraising range gute Chancen hatte und allin gehen müsste, wenn es dazu kommt. Ich also allin, und er hat gefoldet. Das war wichtig. Ich war chipleader und Than Nguyen hat dann die Leute rausgehauen, bis wir headsup waren.
PokerOlymp: Das Video von der letzten Heaudsup Hand haben wir ja schon auf der Seite. Vorher gab es aber eine große Hand zwischen euch, nach der du stark angeschlagen warst. Was ist passiert?
Ben Johnson: In der entscheidenden Hand habe ich 77 im Small Blind. Ich calle nur, er raist auf 100.000. Ich habe kurz überlegt, und dann auf 325.000 geraist. Er hat gecallt. Dann der Flop, J56. Er checkt, und ich habe 450.000 von meinen gut 1 Mio. gesetzt. Ich hätte auch allin gehen können, kein so schlechter Flop für 77 headsup. Aber ich hatte genug mit Than gespielt, um zu wissen, dass er nicht als Bluff check-raisen würden. Er check-raist allin, und ich wusste, ich bin hinten. Nach einigem Überlegen habe ich also gefoldet, aber danach war ich sehr short-stacked. Er hat mir später gesagt, dass er AJ hatte, und davon war ich auch ausgegangen.
PokerOlymp: Machst du Dir Vorwürfe, wie du die Hand gespielt hast?
Ben Johnson: Nicht wirklich. Ich muss natürlich preflop nicht limpen und reraisen. Es war früh im Heads-up match, und ich wollte eigentlich noch keine großen Pots spielen, sondern erstmal herausfinden, wie er so spielt. Aber als er dann vor dem Flop geraist hat, dachte ich, dass meine Hand zwar gut ist, aber zu anfällig, um nur zu callen und den Flop zu sehen. Ich habe also so gespielt, dass er nur schwer callen kann. Er hat dann mit AJ gecallt, um den Flop zu treffen, was sehr riskant ist. Schließlich hat er nur 3 Karten, um etwas zu treffen, er muss davon ausgehen dass ich auf dem Flop bette. Naja, so kanns gehen.
PokerOlymp: Ben, vielen Dank für diesen Einblick in dein Turnier und noch mal Glückwunsch zum 2. Platz! Letzte Frage: Was denkst du über die Zukunft des online-Pokerns, speziell für euch Amerikaner? Machst Du Dir Sorgen?
Ben Johnson: Klar mache ich mir Sorgen! Ich glaube zwar nicht, dass es durchgesetzt werden kann, dass kein Amerikaner mehr online spielen kann. Online Poker ist noch nicht tot. Aber es gefällt mir als Spieler nicht, dass die Spiele jetzt sehr viel schwieriger werden. Die USA sind das reichste Land der Welt und haben eine große Pokerkultur. Das hat dazu geführt, dass es haufenweise schwache US-Spieler gab, die jetzt verschreckt und nicht mehr da sind. Während Poker immer noch überall auf der Welt wächst, befürchte ich doch, dass die Spiele nie mehr so profitabel sein werden, wie sie es einst waren.
PokerOlymp: Wir danken für dieses Gespräch und wünschen weiterhin viel Erfolg! Und noch viel Spass in Deutschland, try the Currywurst…
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 19.10.2006.