Lieber Doktor Gaßmann,
Eigentlich sind wir ja Leidensgenossen. Von etwas nichts zu verstehen und trotzdem darüber schreiben zu müssen, kenne ich aus meinen unseligen Zeiten als Werbetexter. Auf die Dauer macht das keine Freude und vielleicht können die folgenden Zeilen ein wenig Licht ins Pokerdunkel bringen.
In der aktuellen Aussendung der DHS (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen) fordern Sie ein generelles Werbeverbot für „Poker und andere Glücksspiele“. Außerdem möchten Sie die Übertragung von Pokerturnieren im DSF komplett einstellen, die Sie taxfrei zu „reinen Werbeveranstaltungen“ abqualifizieren. In Ihren Augen haben diese Turniere keinen Anspruch als „seriöse Sportveranstaltung“, vielmehr machen Sie den Pokerboom schon jetzt dafür verantwortlich, dass „in ein bis vier Jahren Pokersüchtige die Beratungsstellen füllen werden.“
Dramatisch Worte tadellos vorgetragen. Fakten und Zahlen dazu gäbe es auf Wunsch auch dazu? Oder haben Sie bei den Übertragungen im DSF doch besser aufgepasst, als es den Anschein hat und es handelt sich bei den Prognosen um einen reinen Bluff? Bleiben wir doch gleich beim verdienten DSF. Dass Sie den Unterschied zwischen einem sportlichen Wettkampf auf höchstem Niveau und einer tatsächlich Verkaufssendung aus dem zu Recht gefürchteten Homeshopping Bereich, nicht kennen und wohl auch nicht erkennen wollen, macht die Diskussionen nicht gerade leicht. Nur glauben Sie mir das ganz einfach, die Jungs im Fernsehen mit den bunt bedruckten Kartons in der Hand sind in dem, was sie tun, höchst geschickt und nehmen ihren Sport mindestens so ernst, wie ein durchschnittlicher Bundesliga Fußballer. Und selbstverständlich ist der Pokersport in erster Linie von Geschick, Konzentration und Strategie geprägt und schon deshalb für den klassischen „Sucht-Menschen“ nicht wirklich interessant.
Es gibt in unserer Gesellschaft tatsächlich gefährliche Tendenzen zu Überdosierung. Man kann zuviel essen, chatten, kaufen, fasten oder auch zuviel lieben. Es gibt Menschen, die sich tot essen, oder welche, die nur mehr vor dem Bildschirm schlafen können. Kreditkarten, Versandhäuser und windige Ratengeschäfte ruinieren Existenzen. Wegen verletzter Gefühle, oder angeblich gebrochener Herzen, stürzen sich unglücklich Verliebte von Hochhäusern oder vor werfen sich vor rasende Züge. Erschießen sich, erhängen sich oder hungern sich zu Tode.
Dass ein Verein wie die DHS sich den Problemen der Abhängigkeit annimmt, ist ja löblich und würdig, unterstützt zu werden. Und wenn man Ihre Aussendung zu Drogenmissbrauch und ähnlichen Themen hernimmt, differenzieren Sie sehr wohl zwischen Substanzen und Gefährdungen. Haben auch keine Scheu sich mit der Pharmaindustrie anzulegen. Offenbar haben Sie und die DHS zu dieser Thematik gut informiert und können deshalb kompetent und sachlich argumentieren. – Wäre es nicht vielleicht auch zum Thema Pokersport angebracht diese Grundrecherche anzustellen? Simplifizierung und Polemik alleine wird doch wohl Ihrem Anspruch nicht gerecht?
Mein halbes berufliches Leben habe ich in Kasinos verbracht. Selbstverständlich gibt es diese verlorenen Seelen, die ständig auf der Suche nach diesem Kick sind. Die einfach wissen wollen, ob die Göttin Fortuna sie nun liebt oder auf Lebenszeit hassen wird. Und weiters ist es selbstverständlich möglich, dass diese unbehandelten Patienten der Sucht und Suche auch mal das Substitut Poker ausprobieren. Aber eben, weil Poker diesen enormen Faktor hat an Strategie und Geschicklichkeit, wird dieser darbende Mensch nicht lang beim Pokersport bleiben und weiter zu den flackernden Lichtern und rollenden Kugeln ziehen.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zu den so gerne präsentierten „Pokersüchtigen“. Dass diese Menschen Probleme haben und dass sich Institutionen wie die Ihre, um Therapie und Hilfe bemühen, ist höchst lobenswert. Nur, diese Unterstützung könnte noch viel effizienter und für den Betroffenen qualitativ besser werden, wenn Sie sich eingehend und differenziert mit der Materie auseinandersetzen würden. Kein Drogentherapeut könnte erfolgreich arbeiten, wenn er den Unterschied zwischen Crack, Haschisch und Nussschokolade nicht kennen würde. Ihr in den Medien dokumentiertes Wissen über den Pokersport ist aber leider ähnlich rudimentär. Das kann man ändern, und das sollte man ändern. Wir von der PokerOlymp Redaktion sind jedenfalls immer bereit, Ihnen dahingehend Hilfestellung zu leisten. Fragen Sie uns und reden Sie mit uns! Zusammen können wir sicher mehr erreichen.
Götz Schrage
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 26.03.2007.