Letzten Freitag haben die US-Behörden bekanntlich die Webseiten von PokerStars, Full Tilt, UB und Absolute Poker gesperrt. Es wurde Anklage gegen die Betreiber und deren Mitarbeiter erhoben. PokerOlymp hat die 51-seitige Anklageschrift unter die Lupe genommen und erklärt den Lesern, was genau die Behörden den Online-Pokerräumen vorwerfen.
Was ist überhaupt eine Anklageschrift?
Juristisch gesehen ist eine Anklageschrift das Dokument, mit der die Strafverfolgungsbehörden einen Fall vor Gericht bringen.
Sie hat grundsätzlich zwei Funktionen, zum einen den oder die Angeklagten über die ihnen vorgeworfenen Taten zu informieren und zum anderen die Festlegung des Prozessgegenstandes in sachlicher und personaler Hinsicht.
Die vorgeworfenen Delikte und Handlungen
Zum Vorwurf wird den Angeklagten die Unterwanderung des Unlawful Internet Gambling Enforcement Act von 2006, das Betreiben illegaler Glücksspiel-Unternehmen, organisierter Bankbetrug und organisierte Geldwäsche gemacht. Hierfür sind Geldstrafen und Gefängnisstrafen bis zu 30 Jahre vorgesehen.
Bereits in der Einleitung macht United States Attorney Preet Bhrara klar, worum es geht. Er benennt zunächst PokerStars, Full Tilt und AP/UB als die führenden Online-Poker-Unternehmen in den USA seit 2006. Die Unternehmen hätten mindestens von November 2006 bis März 2011 agiert. Als Verantwortliche benennt er die Angeklagten Isai Scheinberg, Raymond Bitar, Scott Tom, Brent Beckley, Nelson Burtnick, Paul Tate, Ryan Lang, Bradley Franzen, Ira Rubin, Chad Elie und John Campos.
Die angeblichen Methoden der Täuschung
Dann geht es direkt ans Eingemachte: Der Staatsanwalt führt aus, dass in den USA seit Einführung des UIGEA den Banken verboten sei, Transaktionen im Zusammenhang mit Online-Glücksspiel durchzuführen. Die Angeklagten hätten im Tatzeitraum betrügerische Methoden verwendet, diese Restriktionen zu umgehen und so mehrere Milliarden Dollar von US-Bürgern aus illegalem Glücksspiel erhalten. Zu diesem Zweck seien US-Banken und andere Stellen direkt und indirekt getäuscht worden.
Hierzu hätten sich die Pokerräume unter anderem so genannter ‘payment-processors’ bedient, deren Aufgabe es gewesen sei, die wahre Natur die Geldströme gegenüber den Banken zu verschleiern. Hierzu seien Scheinfirmen und eigens zu dem Zweck erstellte Webseiten benutzt worden. Die Angeklagten Ryan Lang, Bradley Franzen, Ira Rubin und Chad Elie hätten als solche “payment processors” im Auftrag der Gaming-Unternehmen fungiert.
Dann listet die Anklage über mehrere Seiten detailliert die Angeklagten auf und welche Funktion sie bei den jeweiligen Pokerräumen ausüben. Der Fokus liegt hier insbesondere auf Isai Scheinberg, der als Gründer von PokerStars benannt wird und auf Raymond Bitar, dem Gründer von Full Tilt.
PartyPoker und der UIGEA
Es wird ausführlich die Einführung des UIGEA im Jahr 2006 beschrieben und dass es seitdem ein “federal crime” sei, als Online-Glücksspiel-Unternehmen wissentlich Zahlungen zu empfangen oder weiterzuleiten, die aus illegalem Glücksspiel stammen oder für dieses bestimmt sind.
Es wird auch erwähnt, dass der größte damalige Pokerraum wegen dem UIGEA seine Dienste in den USA eingestellt hatte. Gemeint ist PartyPoker, obwohl das Unternehmen in der Anklage nicht ausdrücklich benannt wird. Die jetzt im Fokus der Ermittlungen stehenden Pokerräume hätten aber weitergemacht, so hätte beispielsweise Absolute Poker damals verlauten lassen, dass sie “eine private Organisation seien, die gemäß ihrem Geschäftsmodell viel Flexibilität und Kreativität genieße.”
Die Methoden im Detail
Dann geht es weiter und es werden die Methoden beschrieben, die PokerStars, Full Tilt und UB/AP angeblich dazu verwendeten, die Banken über die illegale Natur der Geldtransaktionen hinwegzutäuschen und die Geldströme aus den USA heraus hin zu den Firmensitzen in Übersee zu leiten.
Es ist zum einen die Rede davon, dass Visa und Mastercard spezifische “transaction codes” für Online-Gambling-Vorgänge eingeführt hätten. So sei es für die Banken leicht gewesen, Vorgänge, die mit Online-Glücksspiel zu tun haben, zu blockieren. Die Angeklagten hätten dies aber umgangen, indem sie den Vorgängen falsche “transaction codes” zugeordnet hätten. Hierdurch hätten sie die Banken über die wahre Natur der Vorgänge getäuscht. Allein zu diesem Zweck sei ein Netz von Scheinfirmen, z. B. Online-Blumenläden oder Online-Tierfutter-Händler, aufgebaut worden.
Von Zeit zu Zeit seien diese Scheinfirmen jedoch entdeckt worden. Für diesen Fall hätten die Angeklagten jedoch zahllose Ersatzunternehmen parat gehabt, z. B. www.petfoodstore.biz oder www.beddingsuperstore.tv, die bei Bedarf eingesprungen seien. Daneben seien so genannte “pre-paid credit cards” zu Verschleierung benutzt worden. Diese konnte man angeblich ohne verdächtigen “transaction code” aufladen.
Auch im Wege des “e-check processing” seien Zahlungen mit Hilfe von Scheinfirmen verschleiert worden. Die Scheinfirmen hätten Konten eröffnet und so unrechtmäßig den Geldfluss zwischen den Online-Gambling-Unternehmen und den Banken ermöglicht. Vor allem die angeklagten “payment-processors” Ryan Lang und Bradley Franzen hätten hierfür von den Online-Pokerräumen hohe Beträge erhalten. Auch der Angeklagte Ira Rubin hätte beispielsweise Mitte 2008 dutzende Scheinfirmen aufgebaut, darunter Fahrrad-, Juwelen-, Bekleidungs- und Golfhändler.
Teilweise hätten die Spieler das gemerkt und seien auf die ‘komischen’ Namen der Scheinhändler auf ihren Kontoauszügen aufmerksam geworden. So hätten zwei Spieler im März 2009 sogar versucht, bei ‘oneshopcenter.com’ und ‘mygolflocation.com’ Waren zu erwerben. Hierauf hätten sie Antwort von PokerStars bekommen und nicht von den betreffenden Websites.
Daneben werden in der Anklage noch weitere angeblich benutzte Techniken zur Verschleierung der illegalen Geldtransaktionen beschrieben. Besonders schwer wiegt der Vorwurf, es seien “Multi-Millionen-Investitionen” geflossen, um Banken unter eigene Kontrolle zu bringen.
Die Konsequenzen
Im Ergebnis sollen die Angeklagten mehrere Milliarden Dollar an den Staat zahlen. Es werden auch detailliert die Konten beschrieben, auf denen das Geld momentan zu finden ist. Vor allem die Vorwürfe organisierte Geldwäsche und organisierter Bankbetrug wiegen sehr schwer. Für diese Delikte sieht das amerikanische Rechtssystem hohe Strafen vor, bei Geldwäsche ist gibt es maximal 20, bei Bankbetrug bis zu 30 Jahre Gefängnis.
Die Höhe der in Rede stehenden Summen, der lange Tatbegehungszeitraum und die hohe Strafandrohung machen den Ernst der Lage deutlich. Kennern des amerikanischen Rechtssystems zufolge, ist in dem Verfahren nicht mit besonders viel Milde des Staates zu rechnen. Immerhin ist Anurag Dikshit als einer der Gründer von PartyPoker seinerzeit zur Zahlung einer Strafe in Höhe von 300 Millionen Dollar verurteilt worden. Und das obwohl PartyPoker seinen Betrieb in den USA nach dem Inkrafttreten des UIGEA nachweislich eingestellt hatte. Lange war unklar, ob der Milliardär nicht sogar zusätzlich eine Gefängnisstrafe antreten muss.
Wir möchten darauf hinweisen, dass dies nur eine grobe Übersicht der 51-seitigen Anklageschrift darstellt, die notwendigerweise nicht alle Aspekte im Detail abdecken kann. Wir hoffen dennoch, unseren Lesern die Tatvorwürfe etwas näher gebracht zu haben. Die vollständige Anklage kann hier nachgelesen werden.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 17.04.2011.