Im Jahr 1997 hat der Computer “Deep Blue” im Schach gegen Kasparov gewonnen, diese Woche hat die Maschine “Watson” ein Jeopardy-Duell gewonnen. Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Poker auch von den Bots beherrscht wird?
Abgesehen von bestimmten Varianten werden Computer zumindest für absehbare Zeit guten menschlichen Gegnern unterlegen sein. Insbesondere No-Limit Ring-Games sind zu komplex, um von bisherigen Bots und mit der heute zu Verfügung stehenden Rechenkraft adäquat abgebildet zu werden.
Auf bestimmten Gebieten sind Poker-Bots jedoch jetzt schon formidable Gegner. Mitte letzten Jahres stellte unter anderem das Bellagio einen Heads-Up-Limit-Automaten neben den Pokerfloor. Der Automat verlangt keine Rake und man kann bis zu $2/$4 damit spielen. Dass keine Rake verlangt wird, deutet schon darauf hin, dass die Entwickler großes Vertrauen in das Können der Maschine setzen. Und tatsächlich fährt der “Texas Hold‘em Heads-Up-Poker-Automat” konstant Gewinne ein.
Nick Christenson hat sich mit diesen Automaten auseinandergesetzt und vor geraumer Zeit im 2+2-Magazin seine Erfahrungen aufgeschrieben. Hier einige Auszüge daraus:
Das Spiel ist sehr einfach und wie jedes Video-Poker-Spiel aufgebaut. Es gibt Knöpfe für Check, Call und Bet/Raise.
Wie beim Heads-Up üblich, ist der Small Blind der Button und fängt vor dem Flop als Erster an. Nach dem Flop eröffnet der Big Blind alle anderen Setzrunden. Beim ersten Spiel erhält der Computer den Button zuerst. Die Hersteller sind von dem Spiel so überzeugt, dass sie dem menschlichen Gegner die Möglichkeit geben, nach jedem Spiel die Karten des Computers zu sehen. Das macht es natürlich wesentlich einfacher, die Spielweise zu analysieren.
Der Computer spielt laut Hersteller ein feste Strategie und lernt nicht während des Spiels. Das heißt, dass der Computer seine Strategie nicht während der Partie ändert, um bestimmte Schwachstellen seines Gegners auszunutzen.
Ich habe mehrere Stunden gegen den Computer gespielt. Ich bin sicherlich kein Weltklasse Limit Heads-Up Spieler, aber ich spiele es zumindest seit über zehn Jahren erfolgreich.
Preflop würde ich den Computer als Hyper-Lag bezeichnen und wenn ihn jemand “Maniac” nennen wollte, hätte ich wenig dagegen einzuwenden. Vom Small Blind raist der Computer fast immer. Wenn ich aus dem Small Blind nur calle, raist der Computer zu 80% aus dem Big Blind. 3-Bets macht der Computer sehr häufig, ich habe ihn T5o 3-betten sehen.
Ich würde schätzen, dass der Computer vor dem Flop nur die schlechtesten 10% der Hände aus dem Small Blind oder gegen einen Raise im Big Blind foldet. Es scheint, als würde der Computer mehr Hände aus dem Small Blind folden als gegen einen Raise im Big Blind, obwohl die Pot-Odds jeweils identisch sind. Allerdings beendet ein Call im Big Blind die Setzrunde und das ist wichtiger als die Position. Das passt zu gängigen spieltheoretischen Ansätzen.
Auf dem Flop ist der Computer ein LAG. Ich habe ihn mit schlechten Händen 3-betten sehen, zum Beispiel mit einer Overcard ohne irgendein weiteres Potenzial – etwa Jx 4x auf einem Tx 8x 2x Flop. Allerdings kommt so etwas nur selten vor und ist kein Bluff. Es scheint mit deutlich zu sein, dass der Algorithmus weiß, dass diese Hände einen gewissen Wert haben, wenn sie eine Freecard bekommen. Es macht den Eindruck als wäre der Computer auf dem Flop deutlich eher bereit zu folden, als vor dem Flop, aber er braucht keine starke Hand um weiterzuspielen.
Auf dem Turn wird der Computer ein wenig tighter. Es ist deutlich unwahrscheinlicher, dass er mit einer schwachen Hand raist. Während er routinemäßig den Flop mit Händen wie 2nd-Pair ohne Kicker raist, geht er ab dem Turn mit solchen Händen in den Check/Call-Modus. Natürlich ist er – wie alle guten Heads-Up-Spieler – immer noch sehr loose, weswegen es keine gute Idee ist, auf dem Turn übermäßig aggressiv gegen ihn zu werden.
Auf dem River gilt: Hat der Computer irgendetwas getroffen, callt er. Hat er Ass-hoch und das Board ist nicht übermäßig gefährlich, reicht das für einen Calldown ab dem Flop. Hat er einen König, callt er auf dem River. Auf einigen Boards – insbesondere wenn die Hand des Gegner entweder ein Monster oder ein geplatzter Draw ist – callt er mit noch schlechteren Händen. Ich habe den Computer mit Bube-hoch callen sehen.
Spieler, die in Reaktion auf diese Strategie in einen Check/Call-Modus gehen, um Fallen zu stellen, haben wahrscheinlich nicht viel Erfahrung im Heads-Up-Poker. Hyper-LAG in den frühen Setzrunden ist eine sehr starke Strategie. Man muss lernen, loose zu spielen, um zu überleben und heldenhafte Folds auf dem River sind ein guter Weg, um im Heads-Up zerstört zu werden. Meiner Meinung nach ist der Computer ein sehr herausfordernder Gegner.
Von meiner Erfahrung mit dem Computer kann ich schließen, dass er einiges sehr gut macht, was anderen Poker-Programmen noch nicht gut gelingt. So scheint er sehr gut darin zu sein, von der Struktur des Boards darauf zu schließen, welchen Erwartungswert er gegen das Spektrum des Gegners hat. Auf einem Board auf dem Flushes und Straßen möglich sind, spielt er Top Pair nicht zu aggressiv. High-Cards spielt er auf gepaarten Boards hingegen sehr aggressiv. Er kann bluffen, check-raisen und kennt sogar Check-raise-Bluffs.
Auch kann der Computer von den Aktionen auf vorigen Setzrunden das Spektrum des Gegner gut eingrenzen. Er scheint ebenfalls seine Bets für mehrere Setzrunden zu planen.
Was mich auch sehr interessiert hat, war wie die Leute auf den Computer reagieren. Ich habe alle möglichen Kombinationen von “Er spielt großartig.” bis “Er spielt grottenschlecht.” gehört – meist gepaart mit “Ich habe verloren.” bzw. “Ich habe gewonnen.”. Dass so viele verschiedene Meinungen über die Spielstärke vorliegen, liegt sicherlich auch daran, dass nur die wenigsten wissen, wie gutes Heads-Up-Poker gespielt wird.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 18.02.2011.