Ab heute wollen wir mit Flippo einen neuen Kolumnisten auf PokerOlymp präsentieren. Er kommt aus Hannover an der Leine und ist für einen Internet-Poker-Spieler schon ziemlich alt, nämlich Ende zwanzig.
Er hat relativ spät angefangen und nach einigen frühen Spielgeld-Ausflügen erst vor zwei Jahren ernsthaft begonnen, sich mit Poker auseinander zu setzen.
Der eine oder andere dürfte seine Stimme schon gehört haben, denn Flippo ist Co-Moderator des Bluffcatcher-Podcasts und dort vor allem für die News, Klatsch und Tratsch (oder wie wir Internet-Leute sagen: “News, Views and Gossip”) sowie für die Lacher im Hintergrund zuständig. Hier sein erster Text:
Wenn man in den Limits aufsteigt, begegnen einem eher früher als später Regulars, die enorm aggressiv sind. 3-Bet-Quoten über 8% sind auf den Smallstakes der großen Anbieter keine Seltenheit mehr. Diese Spieler sind ohne Position oft extrem schwer zu bespielen, stellenweise ist man sogar gezwungen, den Tisch zu wechseln. Möchten wir auch so sein? Von Regs gefürchtet, um jeden Pot mit dem Messer zwischen den Zähnen kämpfend? Die Antwort ist ganz banal: Nein.
In diesem Artikel erkläre ich, warum.
Okay, richtig banal ist die Antwort doch nicht. Wir müssen erst ein paar Schritte zurück gehen, um das Ganze betrachten zu können. Die Antwort auf die Frage, warum wir nicht der unbequeme Spieler sein wollen, der einem den Tisch zur Hölle macht, kann man nur herausfinden, wenn man sich von Anfang an die richtige Frage stellt. Die Frage lautet: Warum spielst Du Poker?
Wenn die Antwort darauf lautet, „um Spaß zu haben“, oder „um mich mit anderen messen zu können“, dann habe ich in Deinem Fall Unrecht und für Dich kommt es durchaus in Frage, dieser Spieler zu sein. Wenn die Antwort aber lautet, „um Geld zu gewinnen“, dann solltest du tunlichst vermeiden, zu diesem Spieler zu werden.
Betrachten wir das ganze erstmal oberflächlich und anhand von Daten, die uns zur Verfügung stehen. Wenn man diese Spieler bei PTR nachschlägt, sind es immer (mit ganz wenigen Ausnahmen) marginale Gewinner oder Breakeven-Spieler, während die großen Gewinner bei Holdem Manager Stats mit moderaten Werten aufwarten, und nie ins Extreme ausschlagen.
Warum gewinnen die unbequemen Spieler weniger, wenn sie doch um jeden Pot fighten und gut ausgezahlt werden, weil sie ein richtig aggressives Image etabliert haben? Eine klare Antwort zu finden ist schwierig, weil sie wohl sehr individuell ist. Es gibt also mehrere mögliche Antworten.
• Falsches Augenmerk
Diese Spieler verlieren aus den Augen, warum sie Poker spielen. Nämlich um Geld zu gewinnen. Geld, das man gewinnt, kommt immer von den Fischen. Die Aggros sind zu sehr darauf aus, Ego-Poker zu spielen und es den Regs zu zeigen, und zerstören sich dadurch Situationen, die +EV wären. Durch zu viele 3-Bets von Regulars, die Fische isolieren, versäumen sie zum Beispiel Situationen, in denen sie mit dem Fisch einen Pot spielen könnten.
• Sie überfordern sich
Sie bringen sich in viele marginale Situationen, die sie nicht überschauen, und begehen dadurch größere Fehler in größeren Pötten.
• Aus Aggression wird Irrsinn
Oder auch: Aus Adaption und der Adaption auf die Adaption wird übertriebene Adaption und schon pusht man K2s am Button über die 4bet vom Cut-Off.
• Aggression ist nur ein Symptom
Viele der Spieler, die vor dem Flop besonders aggressiv sind, versuchen damit ihre Unzulänglichkeiten im Postflop-Spiel auszugleichen. Die Aggression hilft ihnen, vermeintlich schwierige Entscheidungen zu vermeiden, auch wenn es vermutlich eher zu mehr und größeren Fehlern führt als hilft
Bedeutet das, wir sollen kein unangenehmer Gegner sein? Nein, natürlich nicht! Wir dürfen es unseren Gegnern nicht zu einfach machen. Wenn wir unsere Spots gut auswählen, unser Ziel im Auge behalten und mit einem Plan vorgehen, sollten wir unsere Gewinnquote nicht beeinträchtigen. Wie bei jeder Medizin ist das richtige Maß, in dem sie verabreicht wird, entscheidend. Poker ohne Aggression funktioniert nicht.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 27.10.2010.