Die letzte Hand findet immer die meiste Beachtung. Dabei kann es sich um das entscheidende Duell in einer zermürbenden Heads-Up-Schlacht handeln, bei der der Gewinner eines Turniers mit einer Million Dollar Preisgeld ermittelt wurde. Es kann aber auch die Hand sein, mit der jemand bei einem örtlichen Sachpreisturnier vergangenen Mittwoch ausgeschieden ist. Wie auch immer, es kann gut sein, dass Sie (wie viele andere auch) eine Zeitlang über diese letzte Hand nachdenken.
In diesem Artikel werde ich eine letzte Hand eines Lesers analysieren. Sie wurde beim Main Event der WSOP 2009 gespielt und der Leser hat natürlich mehrere Stunden damit verbracht, sie immer wieder zu überdenken. Ich halte diese Hand für instruktiv und möchte meine Gedanken über sie mit anderen teilen. Doch zunächst lasse ich meinen Leser die Geschichte erzählen:
Diese Hand ereignete sich am dritten Tag des Main Events. Wir befanden uns in Level 11 mit Blinds von 800/1.600 und 200 Ante. Am Tisch wurde zumeist tight gespielt, es waren keine bekannten Profis, aber einige recht aktive Spieler dabei. Ich hatte gerade auf etwa 50.000 verdoppelt und der durchschnittliche Stack betrug 90.000. Meine beste Hand in den letzten drei Stunden war A5 und im aktuellen Level hatte ich keine einzige Hand gespielt. Dann foldeten alle zu mir auf dem Button und ich hatte A J . Ich raiste auf 4.000. Der Small Blind foldete und der Big Blind (ein aggressiver Europäer) reraiste auf 12.000. Er hatte mit 80.000 mehr Chips als ich. Ich setzte ihn auf ein Spektrum mit Suited Connectors (AK bis 76), Pocket Pairs (AA bis 55) und einigen anderen Händen wie KQ und KJ. Ich entschied mich für einen Call.
Wird man mit AJ gereraist, befindet man sich in einer schwierigen Situation. Da AJ gegen viele Hände, mit denen andere reraisen, klar zurückliegt, ist ein Fold naheliegend. Oft ist ein Fold tatsächlich richtig, aber in diesem Fall gefällt mir der Call meines Lesers. Das sind die Gründe:
Der Reraiser ist ein aggressiver Spieler, der mit einem breiten Spektrum reraist, darunter niedrige Paare und niedrige Suited Connectors. AJ ist zwar Außenseiter gegen das Reraise-Spektrum eines tighten Spielers, aber nicht in diesem Fall. Laut PokerStove hat AJs gegen das mutmaßliche Reraise-Spektrum tatsächlich 49 Prozent Equity. Da mein Leser Position hat und zudem ausgezeichnete Pot Odds von 18.800 zu 8.000 bekommt, gefällt mir der Call.
Auf dem Flop kamen Ax Qx 9x in drei verschiedenen Farben. Mein Gegner setzte 10.000 in den Pot mit 26.800. Ich hatte noch 38.000 vor mir. Nun ist die Frage, welche Entscheidung ich treffen soll.
Dieser Einschätzung stimme ich aus Gründen, die ich später erläutern werde, nicht zu. Doch zunächst noch das Ende der Hand.
Ich hatte Top Pair und konnte einfach nicht folden. Angesichts meines Stacks sollte ich vermutlich All-In gehen, aber ich entschloss mich zu einem Call, um seine Aktion auf dem Turn abzuwarten. Mein Gefühl sagte mir, dass er auf den meisten Turns checken würde und ich den Pot mit einem All-In einstreichen könnte. Daher callte ich die 10.000 mit Pot Odds von 3,5 zu 1.Auf dem Turn kam die 10 , womit ein zweites Kreuz auf dem Tisch lag. Wie erwartet checkte mein Gegner und verriet Schwäche. Diese Karte war großartig für mich, da ich neben Top Pair auch noch einen Open-ended Straight Draw hatte. Mit mehr als 45.000 im Pot ging ich All-In. Ich wollte einfach den Pot schnappen, zudem hatte ich unabhängig von seiner Hand auf jeden Fall Outs (bis zu 11). Er überlegte etwa drei Minuten und callte schließlich. Mit A K drehte er eine der schlimmsten Hände um, die mir in dieser Situation präsentiert werden konnte. Um das Ganze noch schlimmer zu machen, kam auf dem River ein weiteres Ass, wodurch wir beide einen Drilling hatten, aber sein Kicker stach.Habe ich diese Hand böse vermasselt oder war es einfach Pech? Wo hätte ich anders spielen können?
Kehren wir noch einmal zum Flop zurück. Mein Leser hat A J auf einem Board mit Ax Qx 9x . Im Pot sind 26.800 und er hat noch 38.000, daher beträgt seine SPR (Stack-Pot-Relation) weniger als 1,5. Bei einer solch niedrigen SPR sollten Sie im Allgemeinen mit jeder vernünftigen Hand Ihren restlichen Stack investieren. Ein Top Pair mit Assen fällt sicher unter diese Definition. Belegen wir dies kurz mit einigen mathematischen Berechnungen. Investiert mein Leser seine restlichen 38.000 und gewinnt, schnappt er sich einen Pot mit 64.800. Vereinfachen wir die Rechnung von 64.800 zu 38.000 auf 6 zu 4, können wir leicht erkennen, dass sich die Investition seines Stacks lohnt, wenn er in 40 Prozent der Fälle oder öfter gewinnt.Gemäß PokerStove hat AJ auf diesem Flop 69 Prozent Equity gegen das Reraise-Spektrum seines Gegners. Da mein Leser nur etwa 40 Prozent benötigt, ist der Fall völlig klar. Ein Fold kommt wahrlich nicht in Frage.
Sollte er also auf dem Flop callen oder All-In gehen? Meines Erachtens sollte er All-In raisen. Auf dem Flop mit Ax Qx 9x hat praktisch jede Hand des gegnerischen Spektrums etwas getroffen. Hände wie Qx Kx und 9x 8x haben ein Paar getroffen und könnten sich auf dem Turn zu Two Pair oder einem Drilling verbessern. Mit Kx Jx oder Jx Tx hat er einen Straight Draw. Mein Leser schätzte die Situation korrekt ein, indem er vermutete, dass sein Gegner mit den meisten dieser Hände auf dem Turn aufgeben würde. Mit anderen Worten sind die 10.000 auf dem Flop vermutlich die letzten Chips, die dieser Spieler mit Händen 9x 8x oder Kx Jx investieren will. Nach einem gefährlichem Flop wie diesem wird er auf dem Turn kaum mit einem wilden Bluff All-In gehen.
Was bringt ein Call? Er gewährt vielen Händen, die zurückliegen, eine weitere Karte und gewinnt gleichzeitig keine weiteren Chips von schlechteren Händen. Ein Call verschenkt einfach eine Freecard. Mein Leser hätte einfach einen Riegel vorschieben und All-In gehen sollen. Er kann sogar davon ausgehen, von einigen schlechteren Händen wie Kx Kx gecallt zu werden.
Kehren wir noch einmal zu der Bemerkung zurück, auf dem Flop hätte er vor der Frage gestanden, wie er sich entscheiden soll. Das stimmt nicht. Die wirkliche Entscheidung in dieser Hand bestand darin, ob er den Raise vor dem Flop callen sollte. Mit einer SPR von 1,5 müssen Sie Ihren Stack in die Mitte stellen, wenn Sie vor dem Flop einen Reraise gecallt haben und ein Paar floppen. Da kennt die Mathematik keine Gnade. Tatsächlich sollten Sie Ihr Geld nicht nur mit einem Paar in die Mitte stellen, sondern vielleicht sogar bei Flops mit 5 4 2 oder 6 6 3 . (Geben Sie die Hand in PokerStove ein, wenn Sie jetzt den Kopf schütteln.)
Mir gefällt der Preflop-Call meines Lesers, aber nur, wenn er nach dem Flop mit Top Pair bedingungslos zum All-In bereit ist. Meines Erachtens hätte er schwachen Händen und Draws mit einem All-In auf dem Flop seinem Gegner die Tür vor der Nase zuknallen sollen. Und ich glaube, mein Leser kann sich bis zur nächsten WSOP beruhigt zurücklehnen. Er hatte Pech, denn diese Hand sollte seine letzte sein.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.02.2010.