In Turnieren treffen Sie regelmäßig Entscheidungen, die in einem All-In münden können. Praktisch in jedem Turnier geschieht dies mindestens einmal. Und in den meisten Turnieren treffen Sie mehrere All-In-Entscheidungen. Immer wenn Sie sich dazu entschließen und verlieren, drängt sich eine nochmalige Überprüfung Ihrer Entscheidung auf, weil Sie vielleicht denken „Ich hatte zwar einen Vorteil, aber vielleicht hätte ich auf eine bessere Gelegenheit warten sollen.“
Solche Entscheidungen können in Turnieren aufgrund der Preisgeldstruktur kompliziert sein, doch in vielen Fällen ist ein nachträglicher Zweifel unangebracht. Kürzlich wandte sich ein Leser an mich und stellte mir einige Fragen zu seinen All-In-Entscheidungen:
Leser-Frage zu All-Ins in Turnieren
Zuletzt hatte ich einige schlechte Resultate, als ich kurz vor oder während des Finaltischs All-Ins callte. In der Regel beträgt der durchschnittliche Stack in diesen Situationen (in den Live-Turnieren, die ich spiele) etwa 10 Big Blinds, daher passiert außer All-Ins und Folds (mit vielen Steals) eigentlich nicht viel. Natürlich kann dies nicht ewig so weitergehen und daher calle ich immer, wenn ich glaube, ich hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit die beste Hand. Häufig stellt sich dies dann als Coinflip heraus und ich frage mich nachträglich, ob mein Call korrekt war.
Dazu zwei Beispiele:
- Ich callte mit 77 ein All-In, mein Gegner hatte KJ, das Board brachte je ein Paar Asse und Zehnen und ich stand mit leeren Händen da. Ich vermutete ein All-In mit jedem Ass, jedem Paar oder zwei Bildkarten und sah mich deshalb leicht im Vorteil.
- Ich callte mit AQs, der andere Spieler hatte TT, das Board brachte nur Blanks und ich ging nach Hause. Diesen Spieler setzte ich auf AT oder etwas Besseres, ein Paar oder zwei Bildkarten. Natürlich konnte ich diese beiden All-Ins nicht callen, wenn wir beide große Stacks gehabt hätten, aber mit kleinen Stacks kann man nicht auf AA oder KK warten.
Meine Frage lautet nun, ob ich diese Calls machen sollte oder besser auf Gelegenheiten gewartet hätte, in denen ich selbst stehlen konnte?
Analyse der Calls
Sofern die Preisgeldstruktur nicht extrem flach war, gefallen mir beide All-In-Entscheidungen meines Lesers. Schauen wir uns seine Equity gegen die Handspektren an, auf die er seine Gegner setzte. (Übrigens erscheinen mir die Handspektren, die er seinen Gegnern zutraute, ziemlich vernünftig und sie sind geradezu typisch für diese Situationen.)
In der ersten Hand hielt er 77 und glaubte, mit einem Ass, einem Paar oder zwei beliebigen Bildkarten konfrontiert zu sein. Seine Hand ist dann 56 zu 44 Favorit gegen das Spektrum seines Gegners. (Solche Berechnungen können Sie etwa mit PokerStove anstellen.)
Mein Leser übermittelte nicht die exakten Stackgrößen, aber nehmen wir an, es wurde mit Blinds von 100/200, einem Ante von 25 und Stacks von 2.000 (10 BBs) gespielt. Geht ein Gegner All-In und Sie callen, riskieren Sie 2.000, um etwa 2.500 zu gewinnen, wodurch Sie Pot Odds von etwa 5 zu 4 bekommen. Unterm Strich sind Sie recht klarer Favorit in dieser Hand, bekommen also die richtigen Pot Odds für Ihren Call.
Bei der Analyse des Turnierstrategie kann der Begriff „Coinflip“ in missverständlicher Weise verwendet werden. Stehen die Chancen 50 zu 50, handelt es sich um einen Coinflip, aber wenn ein Spieler 55 zu 45 vorne liegt, besitzt er einen klaren Vorteil. Casinos gewinnen mit noch weniger Vorteil Milliarden von Dollars. Sind Sie mit 56 Prozent Favorit auf den Gewinn der Hand und bekommen 5 zu 4 für Ihr Geld, brauchen Sie einen sehr triftigen Grund, um dieses Risiko nicht einzugehen.
Auch in der Hand mit AQs war mein Leser 55 zu 45 Favorit gegen das Handspektrum seines Gegners. Wieder brauchte er einen zwingenden Grund für einen Fold. Wie sähe dieser aus? Der offensichtliche Fall wäre ein Super-Satellite. Nehmen wir an, Sie spielen ein Turnier, in dem die letzten neun Spieler einen Startplatz beim Main Event der WSOP gewinnen. Es sind noch zehn Spieler im Rennen und es wird an zwei Tischen mit je fünf Akteuren gespielt. Es wird Hand für Hand gespielt, mit anderen Worten ist das Turnier vorbei, sobald noch ein Spieler ausgeschieden ist und alle restlichen Teilnehmer gewinnen den gleichen Preis.
Nehmen wir an, die Stacks seien alle ziemlich gleich groß, wodurch jeder Spieler etwa eine Chance von 90 Prozent hat, einen Startplatz zu gewinnen (die aber leicht variiert, je nachdem, wo die Buttons gerade sind). Callen Sie als 55 zu 45 Favorit ein All-In, schießen Sie sich selbst ins Knie. Folden Sie, haben Sie eine Chance von 90 Prozent einen Startplatz zu gewinnen, während diese bei einem Call nur 55 Prozent beträgt.
Die meisten Szenarien in Turnieren sind aber nicht annähernd so extrem. In der Regel erhalten bei einem Turnier die ersten beiden oder ersten drei Plätze den Löwenanteil des Preisgeldes und die weiteren Plätze werden relativ schlecht bezahlt. In diesen Turnieren besteht die beste Strategie in der Regel darin, auf Sieg zu spielen und nicht, sich durch Folds den Weg ins Preisgeld zu bahnen. Bietet sich Ihnen die günstige Gelegenheit, als 56 zu 44 Favorit einen Pot zu gewinnen, der Ihnen gute Pot Odds eröffnet, sollten Sie diese im Allgemeinen ergreifen.
Es ist unmöglich für mich, mit Sicherheit zu sagen, dass mein Leser die richtigen Entscheidungen in Turnieren trifft, da dies von den genauen Chipständen und der Preisgeldstruktur abhängt. Aber im Allgemeinen fahren Sie gut, wenn Sie sich in den meisten Turnieren und Situationen für einen soliden Vorteil entscheiden. Manchmal geht es schief, aber wenn es gelingt, gewinnen Sie viel häufiger ein Turnier, als wenn Sie in diesen Situationen immer folden. Und im Endeffekt gewinnen Sie damit auch mehr Geld.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 19.09.2009.