“Wie soll ich Suited Connectors vor dem Flop spielen? Soll ich mit diesen Händen Raises callen?“ Ständig stellen mir Pokerspieler solche Fragen. Leider kann ich diese ohne konkreten Zusammenhang nicht beantworten. Um eine gute Antwort geben zu können, muss ich selbst einige Fragen stellen: Wie verläuft die Partie? Wie groß sind die Stacks? Gab es zuletzt besondere Hände an diesem Tisch? Und so weiter.
Und dann muss ich noch die wichtigste Frage stellen: Was wollen Sie erreichen?
Die meisten Spieler entscheiden sich für Spielzüge, ohne wirklich darüber nachzudenken, welches Ziel sie in der Hand verfolgen. Mit der einen Hand callen und mit einer anderen raisen sie. Warum? Weil sie glauben, die Hand sei gut genug, um sich den Flop anzuschauen oder weil sie das Feld ausdünnen wollen oder einfach so.
Diese Gründe reichen nicht aus, wenn Sie dauerhaft erfolgreich sein wollen. Um bei No-Limit Geld zu gewinnen, müssen Sie einen Plan haben. Sie müssen die verschiedenen Verläufe der Hand antizipieren, die positive Ausgänge begünstigen und gleichzeitig den negativen aus dem Weg gehen.
Natürlich ist beim Poker vieles zufällig und eine schreckliche Karte kann sogar die vielversprechendste Situation ruinieren. Die gelegentlichen schwierigen Situationen oder Bad Beats können Sie nicht verhindern. Viele Spieler schlittern aber bereitwillig in eine negative Situation nach der anderen, weil sie keinen Plan haben.
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor. Sie sitzen mit neun anderen Spielern am Tisch und spielen mit Blinds von 5 $/10 $. Sie haben 1.000 Dollar und alle anderen Spieler haben mehr. Drei Spieler limpen und der Cut-Off raist auf 80 $. Sie sind mit 7 6 auf dem Button. Was sollten Sie tun?
Viele Spieler würden automatisch callen. Sie haben auf dem Button eine vielsprechend aussehende Hand. Diese Begründung enthält allerdings keinen Plan. Wahrscheinlich haben Sie auf dem Flop mehrere Entscheidungsmöglichkeiten. Sind diese eher vorteilhaft oder nachteilig?
Gehen wir einige denkbare Szenarien durch:
Szenario 1. Sie callen, die Blinds und der erste Limper reraist auf 380 $. Alle anderen folden. Ihre Hand reicht gegen das Handspektrum Ihres Kontrahenten vermutlich nicht aus und Sie müssen folden. Ist dieses Szenario recht wahrscheinlich, sollten Sie lieber gleich folden ,anstatt den Verlust von 80 $ zu riskieren.
Szenario 2. Sie callen, die Blinds folden und die drei Limper callen ebenfalls. Dadurch sind vor dem Flop 415 $ im Pot und Sie haben noch 920 $ in Ihrem Stack. Sie haben also noch etwas mehr als das Doppelte der Potgröße übrig. Setzt jemand auf dem Flop in Potgröße (oder in dieser Größenordnung), müssen Sie daher sofort eine Entscheidung über Ihren gesamten Stack treffen. Es kommt sehr selten vor, dass Sie zunächst 400 $ callen, um in der nächsten Setzrunde auf ein All-In mit 520 $ zu folden. Spielen Sie auf dem Flop weiter, investieren Sie effektiv den Rest Ihres Stacks.
Ihre erste Entscheidung auf dem Flop wird vermutlich auch Ihre letzte sein. Entweder investieren Sie Ihr ganzes Geld oder Sie folden. Aufgrund Ihrer schlechten relativen Position direkt hinter dem Raiser ist die Ausgangslage für diese Entscheidung entsetzlich.
Nehmen wir zum Beispiel an, auf dem Flop kommen Q 7 5 . Alle checken zum Preflop-Raiser, der 300 $ in den Pot mit 415 $ setzt. Sie müssen jetzt über Ihr ganzes Geld entscheiden und haben wenig Informationen. Außerdem haben Sie vier Gegner, von denen jeder eine gute Hand haben kann. In diesem Szenario besitzen Sie keinen Vorteil und dennoch stolpern Sie immer wieder in eine solche Situation, wenn Sie sich vor dem Flop für einen Call entscheiden. Dies können Sie vermeiden, wenn Sie sich zu einem Fold entscheiden.
Szenario 3. Sie callen und alle anderen folden. Im Pot sind nun 175 $ und Sie haben noch 920 $. Ihr Gegner ist aggressiv und Sie gehen davon aus, dass er unabhängig vom Flop etwa in Potgröße setzen wird.
Wieder stecken Sie in einer komplizierten Lage. Sie werden den Flop häufig nicht treffen und wenn Sie in diesen Fällen immer folden, gewinnt Ihr Gegner von vornherein einen großen Anteil der Pots. Es ist unwahrscheinlich, dass Sie diesen Nachteil ausgleichen können und Ihre Hand unter dem Strich profitabel wird.
Damit der Call vor dem Flop funktioniert, müssen Sie einige Pots stehlen. Raist Ihr Gegner Limper auch mit einigen schwächeren Händen und verpasst deshalb selbst häufig den Flop, können Sie vermutlich genug Pots stehlen. Hat er jedoch er in dieser Situation in der Regel eine starke Hand, wird ein Steal nicht funktionieren.
In diesem Szenario ist ein Call eine riskante Angelegenheit, bei der einige Dinge gut für Sie laufen müssen: Die Limper müssen folden, Ihre Gegner muss einige schwache Hände in seinem Spektrum haben und der Flop muss Ihren Plan, den Pot zu stehlen, begünstigen, indem er ausreichend gefährlich ist.
Szenario 4. Der gesamte Tisch inklusive des Preflop-Raisers spielt sehr schwach. Sie vermuten, dass der Preflop-Raiser deshalb so hoch geraist hat, weil er Angst um seine Hand hat und alle Kontrahenten vertreiben will. Die anderen Spieler sind derart tight, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit alle Limper folden. In diesem Fall ist ein Call sehr sinnvoll.
Ihr tighter Gegner weiß, dass ein Call eines solch hohen Raise auf gewisse Stärke hindeutet und er muss befürchten, dass Ihre Hand besser als seine ist (es sei denn er hat Asse oder Könige). Wenn Sie callen und die Limper (wie erwartet) folden, verrät Ihr Gegner Ihnen vielleicht seine Hand auf dem Flop. Das heißt, er bringt mit einem hohen Paar womöglich eine hohe Bet, während er mit schwächeren Händen vielleicht nur wenig setzt oder checkt, wenn er den Flop verpasst oder andere Befürchtungen hat (etwa mit 99 auf einem Flop mit QJ4). In diesem Fall callen Sie vor dem Flop mit der Absicht, etwas über die Hand Ihres Gegners zu erfahren und dementsprechend zu reagieren.
Was wollen Sie demnach erreichen? Spielen Sie 76s, um auf dem Flop einen Draw zu treffen und einen großen Pot von einem soliden Gegner zu gewinnen? Das ist ein schlechter Plan, weil der Preflop-Raise im Verhältnis zu den Stackgrößen zu hoch ist. Sie sind auf dem Flop All-In (oder zumindest Pot-Committed), bevor Sie Ihren Draw treffen.
Spielen Sie 76s, weil sich diese Hand „gegen viele Kontrahenten gut spielen lässt?“ Auch das ist keine gute Idee, da Sie sich zu früh an den Pot binden müssen.
Spielen Sie 76s, weil Ihre Gegner schwach sind und Ihr Plan darin besteht, nach Ihrem Call vor dem Flop den Pot auf dem Flop zu stehlen? Trifft dies zu, befinden Sie sich vermutlich in einer guten Lage.
Planen Sie Ihre Hände. Berücksichtigen Sie die wahrscheinlichen Szenarien und entscheiden Sie anhand deren Qualität. Wie spielt sich Ihre Hand, wenn das Offensichtliche passiert? Welches sind die günstigen Szenarien und wie wahrscheinlich sind sie? Stellen Sie sich diese Fragen, vermeiden Sie gedankenloses Spiel und treffen bessere respektive profitablere Entscheidungen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.05.2009.