Ich habe die Verwendung des Wortes “kostenlos” beim Poker nie sonderlich befürwortet und vor allem nicht im Zusammenhang mit „Free Cards“ und „kostenlosen Showdowns“. In der Regel sind vorher Kosten entstanden, was bedeutet, dass Sie für die erreichte Situation bezahlt haben.
In diesem Monat möchte ich das erörtern, was in der Regel als “kostenloser Showdown” bezeichnet wird. In den aggressiven Limit-Partien mit hohen Blinds ist es unerlässlich, sich nicht zu häufig aus Pots drängen zu lassen. Dies gilt vor allem für Heads-Up-Situationen. Es ist daher ein verbreitetes, taktisches Manöver, mit mittelmäßigen Händen auf dem Turn ausschließlich deshalb zu raisen, um auf dem River zu checken.
Warum? Erstens erlaubt es Ihnen, den River zu sehen und das ist gegen sehr aggressive Spieler in Limit-Partien mit hohen Blinds sehr wichtig. Die Häufigkeit, mit der Sie durch Semi-Bluffs und reinen Bluffs unter Druck gesetzt werden, ist in diesen Partien besonders groß.
Zu den Faktoren, derentwegen das „Manöver für einen kostenlosen Showdown“ effektiv ist, zählen die Anzahl der Outs Ihrer Hand und die Spielstärke Ihres Gegners. Starke Kontrahenten sind generell aggressiver, besitzen aber gleichzeitig die Fähigkeit, in Situationen zu folden, in der schwächere Spieler fortsetzen würden. Je weniger Outs Sie haben, wenn Sie sich für einen Raise auf dem Turn entscheiden, um einen „kostenlosen Showdown“ zu bekommen, desto besser. Der Grund dafür ist, dass Sie nach einer 3-Bet leichter folden können.
Bevor wir uns einem Beispiel zuwenden, ist es von äußerster Wichtigkeit, eine weitere Dynamik zu erwähnen. Die Aktionen Ihres Gegners auf Turn und River sind für die Entscheidung ausschlaggebend, ob Sie dieses Manöver auf dem Turn ausführen sollten oder nicht. Denken Sie daran: Sie raisen auf dem Turn, um den Showdown mit der hoffentlich besten Hand zu sehen und gleichzeitig so wenig Geld wie möglich dafür zu investieren.
Daher ist es wichtig, die Setzmuster Ihres Gegners auf dem River zu kennen. Sie müssen vor allem wissen, ob der Gegner in der Vergangenheit häufig auf dem River for Value oder als Bluff gesetzt hat. Ist dies der Fall, könnte ein Raise auf dem Turn völlig falsch sein.
Schauen wir uns nun ein Beispiel an, um das Prinzip zu verdeutlichen.
Beispielhand:$150-$300 Limit Hold‘em mit sechs Spielern
Alle Spieler vor Ihnen folden, Sie sind im Cut-Off, halten 7 7 und eröffnen mit einem Raise. Der Button und der Small Blind folden, aber der Big Blind callt. Auf dem Flop kommen J 9 4 . Wir nehmen in diesem Beispiel an, der Big Blind sei ein für dieses Limit typischer, aggressiver Spieler. Der Big Blind checkt auf dem Flop und da Ihr Paar Siebenen gegen das Spektrum der gegnerischen Hände vorne liegen dürfte, setzen Sie.
Ihr Gegner checkraist und Sie callen. Da auf diesem Niveau und mit einem drawlastigen Board ein Fold gegen normale Spieler zu ängstlich wäre, ist der Call ziemlicher Standard. Auf dem Turn kommt die 2 . Sie müssen sich an den Grund Ihres Calls auf dem Flop erinnern. Sie callten, weil die Kombination aus Textur des Boards, Stil Ihres Gegners und Stärke Ihres Blatts darauf hinwies, dass Ihre Hand durchaus immer noch die beste sein konnte.
Die 2 auf dem Turn hat daran wenig geändert. Dennoch setzt Ihr Gegner erneut. Womit könnte er setzen? Nun, er könnte einen Straight Draw, einen Flush Draw oder sogar einen Gutshot haben. Sie sollten deshalb auf dem Turn raisen, um den River kostenlos zu sehen und gleichzeitig maximalen Druck auf Ihren Gegner auszuüben.
Was Sie berücksichtigen müssen
Wie zuvor erwähnt, müssen Sie sehr genau wissen, mit wem Sie es zu tun haben, wenn Sie dieses Manöver versuchen. Sie müssen sich vor sehr aggressiven Spielern vorsehen, die auf dem Turn 3-betten oder nach einem Call auf dem River wieder setzen. Eine 3-Bet auf dem Turn würde Sie im Grunde zu einem Fold zwingen, aber gegen bestimmte Spieler ist es keinesfalls sicher, dass Sie zurückliegen.
Haben Sie das Gefühl, mit einem dieser Spieler konfrontiert zu sein, besteht die sicherere Spielweise darin, auf dem Turn nur zu callen und auf dem River ebenfalls zu callen bzw. nach Ihrem Gegner zu checken. Außerdem müssen Sie sich darüber im Klaren sein, wie Ihr Gegner seine Draws spielt. Sie müssen in diesem Fall die Anzahl seiner möglichenHände berücksichtigen, mit denen er semibluffen könnte.
Mit einem Flush Draw oder Straight Draw plus Overcards könnte Ihr Gegner bis zu 15 Outs haben. Ist dies ein Spieler, der mit so vielen Outs auf dem Turn 3-bettet? Haben Sie beobachtet, wie er in der Vergangenheit seine Draws aggressiv gespielt hat? Sie wollen in diesem Fall unbedingt vermeiden, mit der besten Hand aus dem Pot gedrängt zu werden und indem Sie Ihre Spielweise an den Setzmustern Ihres Gegners ausrichten, gelangen Sie zur korrekten Spielweise.
Was sollten Sie tun, wenn Ihr Gegner auf dem Turn checkraist?
Ein Variante dieses Motivs könnte auftreten, wenn Ihr Gegner auf dem Turn statt einer direkten Bet checkraist. Dies ist eine verbreitete Spielweise. Nehmen wir deshalb in unserer Beispielhand mit J 9 4 2 an, Ihr Gegner würde checken anstatt zu setzen. Sie setzen und werden geraist.
Gegen einen sehr aggressiven Kontrahenten, der in der Vergangenheit durch dieses Setzmuster bei Semi-Bluffs aufgefallen ist, ist ein Reraise in Verbindung mit einem anschließenden Check auf dem River eine starke Spielweise. Sie müssen sich aber darüber im Klaren sein, wann Sie aufgeben müssen.
Bringt Ihr Gegner nach Ihrer 3-Bet einen weiteren Raise oder er callt und setzt auf dem River, sind Sie vermutlich geschlagen, denn es gibt nicht viele Hände, gegen die Sie nach einer solchen Setzfolge eines normalen Spielers auf diesem Niveau noch vorne liegen.
Weitere mögliche Vorteile
Zuweilen begegnen Ihnen selbst auf diesem Niveau Spieler, die Sie aus Pots vertreiben können. Das kann daran liegen, dass dies eine konkrete Schwäche in deren Spiel ist oder sie einen Versuch auf diesem hohen Niveau wagen.
Auf einem Board mit J 9 4 2 sollten Sie auf diesem Niveau allerdings keine Hand mit einer Neun vertreiben können. Sie könnten durchaus die gleichen Hände halten, auf die Sie Ihren Gegner setzen, und einen Semi-Bluff starten.
Ein paar Spieler würden vielleicht eine Hand wie 88 oder eine Hand mit einer Neun bei solch großen Druck folden. Außerdem würden Spieler mit einem tighteren Spektrum vielleicht seltener semibluffen und dies hätte den großen Vorteil, dass Sie dies nicht zulassen, wenn Sie nur sehr wenige Outs haben. Tatsächlich könnte es sogar sein, dass Sie nach der 3-Bet des gegnerischen Checkraise einen Spieler mit einem schwachen Buben zum Folden bringen können, da dieser 600 $ für einen Showdown bezahlen, bei dem seine Hand vermutlich hinten liegt.
Ich weiß, es klingt verwunderlich, überhaupt einen Gedanken daran zu verschwenden, dass Ihr Gegner in dieser Situation mit einem Buben folden könnte. Ich habe dies aber in den vergangenen Jahren häufig gesehen, und vor allem dann, wenn dies mit seinem sonstigen Image im Einklang stand.
Auf höheren Limits ist es absolut unerlässlich, dass Sie dem dort üblichen Druck Ihrer Gegner standhalten. In der Regel besteht der Schlüssel darin, die Balance in diesen Situationen zu finden. Ein Raise oder eine 3-Bet auf dem Turn ist auf jeden Fall eine Waffe, die Sie in Ihr Arsenal aufnehmen können, um Ihr Spiel ausgewogen zu gestalten.Widerstand gegen aggressive Spieler und das Gewinnen von Pots ohne Showdown sowie Siege auf dem River mit marginalen Händen sind fester Bestandteil einer starken Limit-Strategie. In Partien auf hohem Niveau ist es wichtig, die Ausgewogenheit Ihres Spiels zu zu sichern und aggressives Spiel auf dem Turn, um den River zu erreichen, ist ein Weg, dies zu bewerkstelligen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.11.2008.