Ein unter Pokerspielern oft diskutiertes Thema handelt davon, ob man mit mittleren und kleinen Paaren in Early Position raisen oder limpen sollte. Mit diesen Händen kann man auf verschiedene Art und Weise Geld machen. In dieser Artikelserie gehen wir darauf ein, welche Faktoren man berücksichtigen und welche Anpassungen man in verschiedenen Partien und mit unterschiedlichen Stackgrößen vornehmen sollte.
Man kann Hände ohne Showdown und am Showdown gewinnen. Einige Hände beziehen ihren größten Wert daraus, ohne Showdown zu gewinnen, andere aus den Gewinnen am Showdown. Mit Paaren kann man auf beide Arten Geld machen. Dazu versuche man, das wahrscheinlichste Postflop-Szenario vorherzusagen, und wie man die Gegner dazu bringen kann, Fehler zu machen. Man finde heraus, welche Fehler die Gegner am wahrscheinlichsten begehen. Ihre Preflop-Strategie sollte so angelegt sein, dass sie die wahrscheinlichsten Fehler ausbeutet.1)
Loose-passive Partien
Das sind Traumpartien. In den meisten Händen sehen 5 oder mehr Spieler den Flop. Man kann das Zehnfache des Big Blinds mit AA raisen und es wird mehrere Caller geben. Spieler in diesen Partien neigen dazu, zu viel Geld mit Händen wie Top Pair und schlechtem Kicker, mittlerem Paar, Flushdraws usw. zu bezahlen. Man kann viele Valuebets machen und kann leicht um ganze Stacks spielen.
In solchen Partien ist viel Geld zu machen, indem man gute Hände trifft, die ausbezahlt werden. Anders ausgedrückt, loose-passive Partien bieten gute Implied Odds. Die anderen Spieler sind bereit, mit Top Pair und mittelmäßigem Kicker pleite zu gehen. Das sollte man ausnutzen. Poker ist ein Spiel, in dem es darum geht, sich anzupassen, um die gegnerischen Schwächen auszubeuten. Die größte Schwäche dieser Spieler besteht darin, zu viel Geld mit schwachen Händen zu bezahlen. Sehen Sie sich günstige Flops an, während noch genug Geld in der Hinterhand ist, das Sie gewinnen können. Sie maximieren Ihren Erwartungswert, indem Sie darauf spielen, eine starke Hand zu treffen, z.B. ein Set oder besser, und ausbezahlt werden. So eine Spielweise wird oft Setmining genannt.
Es gibt zwei unterschiedliche Ansätze, seinen Gewinn durch Setmining zu maximieren. Der eine besteht darin, einfach zu limpen und einen günstigen Flop zu sehen (und vermutlich einen Raise zu callen, wenn der Pot multiway ist). Der andere besteht darin, einen kleinen Raise zu machen, um den Pot anzufüttern. Betrachten wir ein paar Situationen, um zu sehen, wie sich die Hand entwickeln würde, wenn Sie eine kleinen Raise machen oder limpen.
Nehmen wir an, Sie spielen in einer Partie mit Blinds von $1/$2 bei effektiven Stacks von 100 Big Blinds. Sie finden ein Paar Zweien, setzen $2 und vier Spieler hinter Ihnen limpen ebenfalls, der Small Blind geht für $1 mit und der Big Blind checkt. Sieben Spieler sehen den Flop, der Pot beträgt $14. Sie haben noch $198. Ihr Stack-zu-Pot-Verhältnis (SPV) ist ungefähr 14 (198 / 14 = ca. 14). Bei einem SPV von 14 kann man noch etwa drei Bets in Höhe des Pots machen. Gegen die beschriebenen Spieler könnte man auf dem Flop sogar mehr als den Pot setzen, um die Bets auf Turn und River kleiner zu machen. Sie können postflop eine Menge gewinnen, und es ist nicht unrealistisch, dass Sie mit einem Set auf dem River all-in sein werden.
Schauen wir nun, was pasiert, wenn Sie einen kleinen Raise machen. Diesmal raisen Sie mit den Zweien auf $6. Es gibt drei Caller, und auch die beiden Blinds gehen mit. Sechs Spieler sehen den Flop. (Wir gehen davon aus, dass nicht ganz so viele Spieler einen Raise callen werden, es aber trotzdem genügend Leute gibt, die mitgehen.) Jetzt ist der Pot $36 groß und Sie haben noch $194. Das SPV beträgt etwa 5,4. Das sind etwas mehr als zwei Bets in Höhe des Pots. Es wird sicherlich wesentlich einfacher sein, einen Stack zu gewinnen, wenn Sie ein Set floppen.
Ein paar grobe Berechnungen der entsprechenden Erwartungswerte sollten uns Hinweise darauf geben, welche Faktoren unsere Entscheidung beeinflussen sollten.2) Wir werden uns anschauen, bei welcher Zahl an Spielern im Pot ein Raise besser ist als ein Limp und umgekehrt. Dazu treffen wir ein paar Voraussetzungen:
• Sie spielen ausschließlich dann weiter, wenn Sie ein Set floppen.
• Wenn Sie kein Set treffen, geben Sie die Hand auf, checken bloß und folden auf eine Bet.
• Außerdem ignorieren wir die Tatsache, dass manchmal alle den Flop (und den Turn) checken und Sie auf dem Turn treffen, da dieses Szenario nur minimalen Einfluss auf Ihren Erwartungswert hat.
• Weiterhin setzen wir voraus, Sie gewinnen in 50% der Fälle mit einem Set einen Stack, und in 50% der Fälle den Preflop-Pot.
• Der Einfachheit halber ignorieren wir die Tatsache, dass Sie manchmal geraist werden, da das grundsätlich zu den gleichen Berechnungen führt, die wir für einen Preflop-Raise ihrerseits anstellen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Flop zu sehen, ansteigt.
• Desweiteren setzen wir voraus, dass Sie in 70% der Fälle, in denen Sie preflop raisen und ein Set floppen, einen Stack gewinnen, und in den anderen 30% der Fälle den Preflop-Pot.3)
• Außerdem werde ich die Zahlen für Pots mit vier oder fünf Spielern modifizieren, da dort das SPV größer ist. Sie haben mehr Geld in der Hinterhand und weniger Spieler könnten Sie ausbezahlen. Es ist also weniger wahrscheinlich, einen ganzen Stack zu gewinnen.
• Ferner gehen wir davon aus, dass Sie in 10% der Fälle ge-3-bettet werden. Das ist eine kleine Zahl, die die Passivität der Partie widerspiegelt.
Der Erwartungswert eines Limps (bei 6 Spielern, die den Flop sehen):
(0,13)* [ (0,50)* ($198) + (0,50)* ($12) ] + (0,87)* ( – $2) =
(0,13)* [ $99 + $6 ] – 1,74 =
$13,65 – $1,74 = $11,91
Der Erwartungswert eines Raises (bei 6 Spielern, die den Flop sehen):
(0,90)* [ (0,13)* [ (0,70)* ($194) + (0,30)* ($36) ] + (0,87)* (-$6) ] + (0,10)* ( – 6) =
(0,90)* [ (0,13)* [ $135.80 + 10,8 ] – 5,22 ] – $0,6 =
(0,90)* [ $19,06 – $5,22 ] – $0,6 =
(0,90)* ($13,84) – $0,6 =
$12,46 – $0,6 = $11,86
Der Erwartungswert eines Limps (bei 5 Spielern, die den Flop sehen):
(0,13)* [ (0,45)* ($198) + (0,55)* ($10) ] + (0,87)* ( – $2) =
(0,13)* [ $89,10 + $5,5 ] – 1,74 =
$12,30 – $1,74 = $10,56
Der Erwartungswert eines Raises (bei 5 Spielern, die den Flop sehen):
(0,90)* [ (0,13)* [ (0,65)* ($194) + (0,35)* ($30) ] + (0,87)* (-$6) ] + (0,10)* ( – $6) =
(0,90)* [ (0,13)* [ $126,10 + $10,5 ] – $5,22 ] – $0,6 =
(0,90)* [ $17,76 – $5,22 ] – $0,6 =
(0,90)* ($12,54) – $0,6 =
$11,29 – $0,6 = $10,69
Der Erwartungswert eines Raises (bei 4 Spielern, die den Flop sehen):
(0,90)* [ (0,13)* [ (0,60)* ($194) + (0,40)* ($24) ] + (0,87)* (-$6) ] + (0,10)* ( – $6) =
(0,90)* [ (0,13)* [ $116,40 + $9,6 ] – $5,22 ] – $0,6 =
(0,90)* [ $16,38 – $5,22 ] – $0,6 =
(0,90)* ($11,16) – $0,6 =
$10,04 – $0,6 = $9,44
Der Erwartungswert eines Limps (bei 4 Spielern, die den Flop sehen):
(0,13)* [ (0,45)* ($198) + (0,55)* ($8) ] + (0,87)* ( – $2) =
(0,13)* [ $89,10 + $4,4 ] – 1,74 =
$12,16 – $1,74 = $10,42
Was sagen uns diese Zahlen?
Je mehr Spieler sich im Pot befinden, desto höher ist unser Erwartungswert.
Ein Limp ist besser, wenn sich weniger Spieler im Pot befinden.
Ein Limp ist die solidere Option. Das Ergebnis hängt weniger von der Anzahl der Spieler ab.
Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, dass die Antwort auf die Frage, ob ein Limp oder ein Raise besser ist, von vielen Faktoren abhängt. Geht man davon aus, nur vier oder weniger Spieler callen einen Raise, dann ist ein Limp besser. Das liegt daran, dass Ihr Erwartungswert bei einem Raise schneller mit der Zahl der Spieler im Pot sinkt als der Erwartungswert eines Limps. Die Wahrscheinlichkeit, einen Stack zu gewinnen, erhöht sich nicht ausreichend, als dass das Risiko preflop gerechtfertigt wäre. Wenn Sie raisen, wird der höhere Erwartungswert bei vier oder mehr Spielern nicht den niedrigeren Erwartungswert bei drei oder weniger Spielern kompensieren.
Dazu ein paar Berechnungen. Nehmen wir an, Sie erwarten, dass in 60% der Fälle 4 Spieler, zu 30% 5 Spieler und zu 10% 6 Spieler Ihren Raise callen. Bei einem Limp erwarten Sie zu 30% 4 Spieler, zu 40% 5 Spieler und zu 30% 6 Spieler im Pot.
Der Erwartungswert eines Raises:
(0,60)* ($9,44) + (0,30)* ($10,69) + (0,10)* ($11,86) =
$5,66 + $3,21 + $1,19 = $10,06
Der Erwartungswert eines Limps:
(0,50)* ($10,42) + (0,40)* ($10,56) + (0,10)* ($11,91) =
$5,21 + $4,22 + $1,91 = $11,34
Wenn Sie in der Mehrzahl der Fälle einen Pot mit 4 weiteren Spielern erwarten, dann ist ein Limp besser.
Beachten Sie außerdem, die Zahl der Caller hängt von der Höhe Ihres Raises ab. Wenn Sie erwarten, dass bei einem Limp oder Minraise vier oder mehr Spieler callen, dann ist ein Minraise wahrscheinlich besser.
Stackgrößen können großen Einfluss auf die korrekte Strategie haben. Sinkt die effektive Stackgröße auf beispielsweise 75 Big Blinds, dann ist der Lohn eines gewonnenen Stacks kleiner, während aber gleichzeitig die Chance auf diesen Lohn steigt. Es gibt keinen Grund dafür, mit einem Raise das gleiche Risiko für kleineren Ertrag einzugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit für den Gewinn eines Stacks ohnehin größer ist als bei Stacks von 100 Big Blinds. Ein Limp wird daher besser sein. Werden die Stacks größer, also beispielsweise 150 BB, dann ist ein Raise vorzuziehen, da der Lohn für den Gewinn eines Stacks größer ist und man die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen möchte. Außerdem kann es bei größeren Stacks profitabel sein, einen Reraise zu callen. Bei 100 Big Blinds ist weder ein Limp, noch ein Raise klar vorzuziehen. Unter den von uns angenommen Voraussetzungen scheint ein Limp etwas besser zu sein.
Falls Sie sich in einer solchen Partie in Early Position befinden, sollten Sie herausfinden, wie die Leute auf Raises reagieren. Wenn preflop oft vier oder mehr Spieler callen (und es nur selten 3-Bets gibt), dann können Sie mit kleinen Paaren hin und wieder einen kleinen Raise machen. Sind Sie sich nicht sicher, dann ist es besser zu limpen, bis Sie sich ein klares Bild gemacht haben. Wenn 3-Bets sehr selten sind, dann steigt Ihr Erwartungswert bei einem Raise noch ein wenig zusätzlich, da Sie seltener preflop folden müssen. So oder so ist es in einer derartigen Partie relativ knapp zwischen einem Limp und einem kleinen Raise, solange Ihnen klar ist, dass Ihr Haupt-Profit daraus stammt, Sets zu floppen und ausbezahlt zu werden.
Jacob Hoke
1 Die korrekte Strategie hängt von der Größe der Stacks ab. In diesem Text wird ausnahmlos von effektiven Stacks mit 100 Big Blinds ausgegangen.
2 Diese Berechnungen sind nicht besonders präzise, geben aber einen Eindruck davon, wie sich die Erwartungswerte eines Raises und eines Limps zueinander verhalten.
3 Die Prozentzahlen, die ich hier verwende, sind Schätzungen. Wichtig ist, dass alle Schätzungen logisch zusammenhängen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 27.08.2008.