Bevor etwas fließt, muss ein Potenzialunterschied vorhanden sein. Durch Höhenunterschiede fließt Wasser. Bei Druckunterschieden fließt Luft. Zwischen unterschiedlichen Pokerspielern fließt Geld.
In der Welt der Wechselwirkungen kommt es nicht am meisten darauf an, was Sie tun und auch nicht, was die anderen tun. Beides ist wichtig. Wechselwirkung meint die Unterschiede zwischen Ihnen und Ihren Gegnern, die Ihr Endergebnis beeinflussen. Wenn Sie und Ihre Gegner in einer gegebenen Situation das Gleiche tun, wird kein Geld fließen, wenn Sie unterschiedlich agieren, fließt es.
Sie können überall im Pokeruniversum nach „Wechselwirkungsgold“ schürfen. Wählen Sie ein beliebiges Thema. Sei es so allgemein wie „Speisenauswahl“ oder so spezifisch wie „Ass-König“ im Big Blind bei Limit Hold’em“. Sie schürfen nach Gold, wenn Sie nach Dingen suchen, die Sie zukünftig anders machen könnten. Dinge, die vorteilhafte Unterschiede zwischen Ihnen und Ihren Gegnern erzeugen oder verstärken und dadurch theoretisch das Geld von den Gegnern zu Ihnen fließen lassen.
Theoretisches Geld kann nicht ausgegeben werden, es inspiriert aber. Ich erinnere mich, als ich erstmals darüber im Zusammenhang mit dem „Erwartungswert“ hörte. Ich lernte, dass jede Wette zwei Ergebnisse hat. Es gibt den Erwartungswert, der sich auf mathematische Analyse begründet und das tatsächliche Ergebnis, das auf Ereignissen beruht.
Sofort war ich regelrecht besessen von der Idee mit dem theoretischen Geld. Alles was ich wissen wollte war mein Punktwert und zwar sofort, direkt nach einer Hand. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie man den tatsächlichen Erwartungswert einer Wettrunde bestimmen konnte, geschweige denn einer ganzen Hand.
Ohne es zu der Zeit zu erkennen, nutzte ich Wissen aus meinem früheren Leben als Turnierspieler im Bridge – wo mein Ergebnis vollständig von den Punkteständen der anderen abhing – und entwickelte eine Methode, eine Pokerhand zu analysieren, die meine Bedürfnisse befriedigte.
Nachdem eine Hand vorbei war, vertauschte ich die Plätze mit meinem Gegner. Er bekam meine Holecards und meine Position, ich übernahm seine und dann kam meine wechselseitige Analyse. Ich stellte mir vor, wie die Hand sich im umgekehrten Fall entwickelt haben könnte. Dann nahm ich das Ergebnis der Umkehrung, verglich es mit dem tatsächlichen und bekam einen Eindruck, wer die Hand theoretisch wirklich gewonnen hätte.
Manchmal war meine Analyse nicht sehr präzise. Manchmal aber doch, besonders wenn es wenig Einflussfaktoren und Entscheidungsmöglichkeiten gegeben hatte und wenn die Gegner mir bekannt waren.
Angenommen in einer Hand bekomme ich Pocket Kings und Joe erhält Pocket Aces. Wir spielen die Hand durch und Joe nimmt mir $100 ab. Sofort stelle ich mir vor, es wäre andersrum gewesen, ich mit Assen und Joe mit den Königen. Ich würde die Wettrunden durchspielen, die wahrscheinlichsten Szenarios durchdenken und ihnen einen Wert zuordnen.
Angenommen, in diesem Beispiel hätte ich meinen Gewinn auf $80 geschätzt. Dann kommen wir zu folgendem Ergebnis. Joe gewann tatsächlich $100. Ich gewann $80 in der umgekehrten Wunschvorstellung. Mein Endergebnis in dieser Hand ist also minus $20. Diese Methode der rückblickenden Analyse lässt sich auf jede Wettrunde oder auf komplette Hände anwenden.
Bleiben wir bei diesem Denkmuster und schauen wir uns Starthände bei Hold’em an. Wir alle wissen, 7-2 die am wenigsten profitable Starthand, am profitabelsten sind Pocket Aces. Umgekehrt betrachtet ist die unprofitabelste Hand ebenfalls 7-2, aber nicht, weil es die schlechteste Hand ist. 7-2 ist die unprofitabelste Hand, weil sie nahezu immer gleich gespielt wird.
Was ist also in umgekehrter Sichtweise die profitabelste Hand? Sind es die Bullets? Nee. Die Hand mit dem höchsten Wechselwirkungspotenzial muss Karten enthalten, für die es sehr viele verschiedene Spielweisen gibt. Sie muss irgendwo zwischen Händen liegen, die selten gefoldet werden und solchen, die selten gespielt werden. Asse werden so gut wie nie vor dem Flop gefoldet, deshalb wissen wir, sie können nicht die profitabelsten Karten sein. Es scheint sehr unwahrscheinlich, dass die profitabelste Starthand immer exakt die gleiche für alle Spieler und für alle Zeiten sein kann. Das bedeutet, für jeden Spieler wird sie unterschiedlich sein. Und das bedeutet, dass jede Antwort, die wir formulieren, nichts mehr ist als eine gute Schätzung. Aber was soll’s. ich fange an.
Die Hold’em Starthand, mit der ich im Laufe der Jahre am meisten Profit gemacht habe ist Queen-Ten. Es ist die Hand, von der ich glaube, sie am öftesten unterschiedlich zu meinen Gegnern gespielt zu haben.
Tommy Angelo
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 30.07.2008.