Beim Analysieren von Fehlern handelt es sich um einen wirklich wesentlichen Schritt, sein Spiel zu verbessern. Kürzlich, während auf den Fernsehern an den Wänden des Pokerraumes die schändliche Niederlage der Montreal Canadiens gegen die Philadelphia Flyers zu beobachten war, zuerst ein Rückstand von 0:2, im letzten Drittel der überraschende Ausgleich und zwei Minuten später das entscheidende Tor für Philadelphia, spielte ein junger Frankokanadier seine Pocket-Jacks folgendermaßen:
Jacks gegen einen aggressiven Spieler
No-Limit, 2/5. Sein Stack betrug knapp 800 Dollar. Aus mittlerer Position brachte er ein Raise auf 25. Zwei Plätze dahinter saß ein ausgesprochen aggressiver Spieler. Die elektronischen Tische im Casino von Montreal zeigen, ebenso wie Online, einen Screen-Name. Sein Name war „AlexL“.
AlexL erhöhte auf 90! Während Spieler um Spieler auf „Abandonner“ (im französisch-chauvinistischen Montreal steht dieser Begriff, anstatt „Fold“, auf den Tischen) klickte, entschied sich der Spieler mit seinen Pocket-Jacks – er nannte sich „LuckyJoe“ – für einen Call.
Hier liegt das erste Problem! Ein Reraise von AlexL bedeutete keinesfalls, dass er über ein entsprechendes Blatt verfügte. Raiste er als Erster, konnte wirklich alles, inklusive 6-3, dahinter stecken. Bei einem Reraise hingegen, lagen die Chancen für eine Premium-Hand bei etwa 50 zu 50. Ein weiteres Raise auf 250 hätte die Sache klar gestellt. Entweder hätte er den Pot damit gleich kassiert oder AlexL hätte mit einem All-in geantwortet. Dann wären die Jacks sicher nicht mehr gut gewesen. Dass Passen natürlich auch eine Option gewesen wäre, ist klar, doch das fällt, insbesondere gegen einen angriffslustigen Gegner, mit Pocket-Jacks in der Hand nicht wirklich leicht.
Was brachte der Flop?
7 10 7
Im Pot lagen 182 Dollar. LuckyJoe checkte und AlexL brachte einen Einsatz von 120.
A-10? A-K? Pocket-Pair, wobei Q-Q oder K-K ebenso möglich war wie 9-9 oder 6-6? Ein Flush-Draw oder ein reiner Bluff? Nachdem es sich um ein übliches Continuation-Bet handelte, sagte der Einsatz nicht viel aus.
Dieser Flop nach einem Preflop-Reraise und dem nun erfolgten Einsatz, zeigt deutlich das Problem des Cold Calls mit J-J. Die Informationen reichen einfach nicht aus, um die Situation entsprechend beurteilen zu können. Die Hoffnung auf den dritten Jack ist zu selten von Erfolg begleitet.
LuckyJoe war, nach seinem schwachen Call, nun aber in diesen Pot involviert. Mit Over-Pair zu passen, können wir in dieser Situation fast gänzlich ausschließen. Sein Blatt konnte durchaus das bessere sein. Was wäre also die richtige Entscheidung, nach diesem Standard-Bet von AlexL, gewesen?
LuckyJoe hatte noch 700 Dollar vor sich. Ein Minimum-Raise hätte AlexL die passenden Odds für einen möglichen Flush-Draw gegeben, der aber nicht wirklich der Wahrscheinlichkeit entsprach. Ein Raise auf 300 hätte diese aber bereits zerstört. Im Falle eines Gegenschlages, hätte LuckyJoe aber noch 400 Dollar behalten.
Dazu noch eine ganz wichtige Überlegung: Manche Spieler würden auch mit einem Flush-Draw, gar nicht zu reden von einem Straight-Flush-Draw, nach einem Raise all-in gehen. Von AlexL war dies aber sicher nicht zu erwarten, da ein gepaartes Board bereits ein Full House ermöglicht (10-10 war ja nicht auszuschießen), und er mit Sicherheit nicht seinen Stack darauf investiert hätte, vielleicht das zweitbeste Blatt zu kaufen. Ein Reraise von AlexL wäre mit Sicherheit ein guter Grund zum Passen gewesen.
Wie fiel seine Entscheidung nun aus? Siegessicher erhöhte er auf 500! Damit war er Pot-commited.
AlexL klickte auf All-in, LuckyJoe callte und die Karten am großen Bildschirm in der Mitte des Tisches wurden aufgedeckt.
LuckyJoe: J J
AlexL: 9 7
Wenige Sekunden verstrichen und der Computer ließ zuerst die 9 und dann den K aufscheinen. LuckyJoe war zutiefst enttäuscht. Hätte er gegen A-A oder K-K verloren, dann hätte er dies schlicht als Pech eingestuft. In diesem Fall betrachtete er sich aber als das Opfer einer unverschämten Spielweise.
Er kaufte keine Chips mehr. Er kündigte an, dass er ein Bier bräuchte. Dieser Pot, neben der Niederlage der Montreal Canadiens, war zuviel für einen Abend. Ein letztes Mal verzog er seine Mundwinkel, schüttelte den Kopf und entfernte sich vom Tisch.
Alex Lauzon
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 30.05.2008.