Sehr häufig kommt man als Preflop-Raiser beim No-Limit-Hold’em in die Situation, dass man auf dem Flop nichts trifft. Es ist altbekannt, dass man in dieser Lage den Flop in den meisten Fällen trotzdem anspielt – eine sogenannte C-Bet (oder Conti-Bet) bringt. Der Gegner hat häufig genug auch nichts und passt einfach.
Was aber macht man, wenn der Gegner die Bet callt und der Turn die eigene Hand nicht verbessert? Jetzt steht man vor der schwierigen Entscheidung, ob man weiter blufft oder die Hand einfach aufgibt. Dieser Artikel soll einige Konzepte zu der zweiten Salve, der Second Barrel auf dem Turn anreißen.
Beispiel für eine Double-Barrel-Situation
Der Protagonist dieser Hand sitzt in einem €1/€2 No-Limit Spiel in später Position und hält A♥ Q♠. Nach mehreren Folds raist er auf €6 und wird nur vom Big Blind gecallt. Der Big Blind ist ein durchschnittlicher, nicht sonderlich aggressiver Gegner. Der Flop kommt T♥ 6♦# 3♠.Nach einem Check des Big Blinds setzt der Protagonist €10 an und wird gecallt. Der Turn bringt den K♣. Wieder checkt der Big Blind und im Pot liegen €33, während beide Spieler noch über €200 im Stack haben.
Der Protagonist stößt bei einem niedrigen Board, das nur wenige Draws ermöglicht auf Widerstand. Der Turn verbessert seine Hand nicht wesentlich, er hat weiterhin nur ein Ass als höchste Karte, aber immerhin einen Gutshot aufgepickt. Lohnt es sich hier, eine zweite Salve als Bluff abzufeuern oder sollte der Protagonist lieber kostenlos den River sehen in der Hoffnung seine Straße oder ein Ass zu treffen?
In diesem Fall ist definitiv eine zweite Salve angebracht. Das Spektrum des Gegners besteht nach zwei Calls und einem Check auf dem Turn zu einem überragenden Teil aus schwachen Händen wie kleinen Paaren oder einer Hand wie J 10 . All diese Hände schlagen den Protagonisten derzeitig, doch er kann sich kaum Implied-Odds ausrechnen, falls er seinen Gutshot trifft. Mit einem kleinen Paar oder einer Zehn verträgt die Hand des Gegners allerdings nicht viel Aggressivität. Eine zweite Salve in Höhe von €20 oder €25 stellt den Gegner vor eine Entscheidung um einen Großteils seines Stacks, da der Protagonist damit droht, auch auf dem River zu setzen und es den Gegner sehr teuer zu stehen kommen kann, mit seinem mickrigen Paar den River zu sehen.
Die meisten Gegner ziehen hier den Schwanz ein, wenn eine weitere Bet kommt und sie nur Second-Pair oder eine noch schlechtere Hand halten. Der König auf dem Turn ist eine perfekte Karte für den Bluff, da der Protagonist nach dem Raise vor dem Flop glaubhaft repräsentieren kann, dass er ein gutes Paar oder eine Hand wie Ax Kx hält und er mit letzterem soeben Top-Pair getroffen hat.
Natürlich kann es sein, dass der Gegner in dieser Situation eine deutlich stärkere Hand wie ein Set hat und einen Checkraise auf dem Turn plant. Aber das macht gar nichts – zum einen sind auf dem Board nur wenige sehr starke Hände möglich und wenn der Protagonist auf dem Turn geraist wird, weiß er, dass er sehr wahrscheinlich hoffnungslos zurück liegt, keine Odds zum Callen bekommt und kann einfach passen.
Rechnerisch muss in dem Beispiel eine zweite Salve in Höhe von €25 in einen Pot von €33 nur in 44 Prozent der Fälle zu einem Fold des Gegners führen, damit der Zug in sich profitabel ist. Und selbst wenn der Protagonist gecallt wird, hat er noch mehrere Outs, um den Gegner auf dem River zu überholen.
Wann sind zweite Salven angebracht?
Damit eine zweite Salve profitabel gebracht werden kann, sollten einige Bedingungen erfüllt sein. Im Folgenden wird immer davon ausgegangen, dass man selbst auf dem Flop eine C-Bet gebracht hat und auf dem Turn nur eine sehr schwache Hand hält.
Heads-Up auf dem Turn
Haben drei oder mehr Spieler den Flop gesehen und zwei oder noch mehr Gegner die C-Bet gecallt, ist es an der Zeit sich von der Hand zu verabschieden. Nach Call und Overcall auf dem Flop haben die Gegner zu viel Stärke gezeigt, als dass hier noch profitabel weiter geblufft werden könnte.
Der Turn sollte gut für das eigene Spektrum sein
Wenn die Turn-Karte dem Gegner glaubhaft machen kann, dass man ihn grade überholt hat, ist eine zweite Salve sehr häufig angebracht. Die besten Kandidaten sind Asse und Könige, aber auch Damen und Buben, die eine Overcard zum Flop darstellen können dem Gegner nach einer Bet davon überzeugen, dass man soeben Top-Pair getroffen hat.
Der Turn sollte schlecht für das gegnerische Spektrum sein
Damit eine zweite Salve erfolgreich ist, muss der Gegner sich möglichst unwohl mit seiner Hand fühlen. Am ehesten fühlt sich ein Gegner unwohl, wenn er nur ein Paar hält und das Board dieses Paar zum zweiten oder dritten Paar degradiert oder ein Flush oder eine Straße droht.
Der Gegner sollte preflop und auf dem Flop möglich loose spielen
Ein Gegner, der vor dem Flop mit einem breiten Spektrum callt und auch bei C-Bets sehr liberal mit einem Call umgeht, hat auf dem Turn in der Regel ein überdurchschnittlich schwaches Spektrum. Sind die wahrscheinlichsten Hände beim Gegner mittlere Paare und schwächere Draws, ist eine zweite Salve ein sicherer Gewinner. Ein wenig Vorsicht ist bei absoluten Calling-Stations geboten. Oftmals zahlen diese auch eine zweite Salve ohne mit der Wimper zu zucken. Das heißt nicht, dass man diese Spieler nicht erfolgreich bluffen kann – es heißt allerdings, dass man bei diesen Spielern auch einen Plan für den River haben sollte und bereit sein muss bei geeigneten River-Karten der zweiten auch die dritte Salve folgen zu lassen.
Postion bei Second Barrels
Selbst Position zu haben, bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich, wenn man eine zweite Salve plant. Der Vorteil ist eindeutig, dass der Gegner ohne Position in der Regel sehr viel eher bereit ist, eine marginale Hand zu passen. Aber dieser Vorteil ist gleichzeitig ein Nachteil, denn schließlich hat der Gegner auf dem Flop schon ohne Position gecallt. Dadurch ist sein Spektrum in den meisten Fällen stärker einzuschätzen, als wenn der Gegner selbst Position hätte. In Position callen viele Gegner standardmäßig mit Gutshots, kleinsten Paaren oder mit reiner heißer Luft und planen einen Float – das heißt nach einem Check auf dem Turn planen sie den Pot durch eine eigene Bet zu gewinnen. Da das Spektrum eines Spielers, der viel floatet, naturgemäß sehr schwach ist, sollte man diese regelmäßig mit einer zweiten Salve konfrontieren. Gegen solche Gegner ist fortgesetzte Aggression in den meisten Fällen besser, als ein verschüchterter Check/Call.
Eine einfachere Regel zur zweiten Salve
Die Frage danach, wann zweite Salven profitabel gebracht werden können, wurde von Dusty "Leatherass" Schmidt sehr simpel auf den Kern gebracht: “Immer!”
Dieses “Immer!” unterstreicht vor allem, dass es in heutigen Partien insbesondere beim Online-Poker, zum Standard-Repertoire eines Spielers gehört, eine C-Bet erst einmal zu callen, unabhängig, was er eigentlich hat und erst auf dem Turn zu entscheiden, was er eigentlich mit dieser Hand plant (meistens planen die Spieler entweder einen Float oder hoffen auf einen billigen Showdown). Diese Strategie ist durch eine sehr liberale Verwendung von zweiten Salven leicht auszunutzen.
Weitere Second-Barrel-Beispiele
Ein paar weitere Beispiele zu zweiten Salven (die eigene Hand ist jeweils egal – sie ist jedenfalls wertlos):
- Flush-Möglichkeit auf dem Turn: Der Gegner callt eine C-Bet in Position auf einem 9 7 2 Flop. Der Turn bringt den J . Eine zweite Salve wird den Gegner sicher dazu bringen, ein nacktes Paar zu folden – die Angst vor der Overcard, der Straße oder dem Flush wird in der Regel zu groß sein, um mit einem einfachen Paar weiterzuspielen. Natürlich wird der Gegner dann und wann einen Raise bringen, weil er zum Beispiel grade selbst den Flush getroffen hat, oder weil er mit A 9 einen Semi-Bluff bringt. Aber das macht nix – die zweite Salve muss nur in ca. 45% der Fälle erfolgreich sein, um profitabel zu sein.
- Lauter niedrige Karten: Der Gegner sitzt im Big Blind und callt ohne Position auf einem 4 3 8 Board eine C-Bet. Der Turn bringt die 10 . Die Zehn ist zwar eine Overcard, aber viele Gegner zahlen hier trotzdem mit eine Acht oder einem Paar zwischen Fünfen und Neunen eine weitere Bet. Auch mit seinen Draws wird der Gegner möglicherweise die zweite Salve zahlen. Dennoch kann dies eine profitable Situation sein – aber man muss bereit sein, nach einem Call auf dem River den Knüppel aus dem Sack zu holen. Wird die zweite Salve gecallt, sollte man in vielen Fällen alle günstigen River (jedes Pik, jede Karte Bube und höher) weiter bluffen.
- Ein Beispiel für einen eher aussichtslosen Spot für eine zweite Salve ist zum Abschluss dieser: Der Gegner callt in Position auf einem K 7 2 Flop eine C-Bet. Der Turn paart mit dem K die höchste Karte. Hier veranlasst man fast keine Hand, die den Flop gecallt hat, zum Passen. Der Gegner wird, wenn er eine Hand wie 9x 9x hält, den zweiten König mit Erleichterung aufnehmen, mindert er doch die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen haben. Eine zweite Salve wird hier einfach zu oft gecallt, als das sie standardmäßig der richtige Zug ist.
Dieser Artikel erschien erstmals 2011 auf PokerOlymp und wurde ein wenig aktualisiert und überarbeitet.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 18.09.2017.