In der Pokerliteratur und in Foren ist immer wieder die Rede davon, dass man seine guten Hände nicht in Bluffs verwandeln sollte. Dieses Konzept ist vor allem beim Cashgame zentral, viele Spieler verstoßen aber dennoch dagegen, weil sie es entweder nicht verstanden haben oder die Gäule mit ihnen durchgehen.
In diesem Artikel, der einem älteren folgt und Punkt 8 der Goldenen Anfängerregeln ausführlicher erläutert, soll dieses Thema noch einmal aufgegriffen und etwas anders beleuchtet werden.
Zur Ausgangslage.
Es geht um Cashgame, also um Situationen, in denen von identischen Voraussetzungen ausgegangen werden kann und es immer darum geht, das Maximum aus einer Hand herauszuholen bzw. das Minimum zu verlieren.
Zu unterscheiden sind dabei im Grunde zwei Handkategorien: Value-Hände (also Hände, in denen man vermutlich die beste Hand hat) und Bluffs bzw. Semi-Bluffs (der Unterschied besteht darin, dass man bei einem reinen Bluff kaum oder gar keine Outs/Pot Equity hat, bei einem Semi-Bluff deutlich mehr). Während es bei der ersten Kategorie darum geht, möglichst viel Geld von schlechteren Händen zu gewinnen, ist das Ziel bei den Händen der zweiten Kategorie, bessere Hände zum Folden zu bekommen.
Auch das ist ein zentrales Prinzip beim Poker. Langfristig profitabel wird die Sache, wenn man möglichst oft von schlechteren Händen ausbezahlt wird (Value-Hände) und möglichst oft bessere Hände zum Folden bekommt (Bluffs bzw. Semi-Bluffs).
Was hat das nun mit dem Verwandeln guter Hände in Bluffs zu tun? Ganz einfach. Verschiebt man eine Value-Hand durch seine Spielweise in die Kategorie der Bluffs, verwandelt man sie in einen solchen.
Beispiel für das Verwandeln einer Value-Hand in einen Bluff
Schauen wir uns ein konkretes Beispiel und dessen Auswirkungen an. Sie halten A K und sind auf dem Button, gespielt wird NLHE-Cashgame mit Blinds von 0,50 $/1 $, alle Spieler haben 100 BB. Der Spieler im Hijack, ein normaler TAG, raist auf 3 $ und Sie entscheiden sich mit Ihrer Hand zu einem Call. (Natürlich können Sie auch reraisen, doch ein Call ist eine gute Möglichkeit, um Ihr Spiel zu variieren, Ihre Hand zu unterrepräsentieren und eine schlechtere Hand im Pot zu halten, bzw. einen Squeeze zu provozieren. Doch darum soll es hier nicht gehen.) Die Blinds folden und der Flop bringt K 8 2 .
Im Pot sind 7,50 $, Sie und Ihr Gegner haben noch 97 $ Rest und Ihr Gegner setzt 5 $. Dies ist eine Standardsituation und die einzig richtige Reaktion ist ein Call. Das Spektrum des TAG besteht aus maximal vier besseren Händen (AA, KK, 88, 22), aus etlichen schlechteren Value-Händen (QQ, KQ, KJ, vielleicht KTs, JJ, TT, 99) und sämtlichen Bluffs.
Raisen Sie, wirft der TAG alle Bluffs und je nach Spielertyp viele bis alle schlechtere Value-Hände weg, während Sie gegen die vier besseren Hände eventuell Ihren gesamten Stack verlieren. Das Argument Protection (das von vielen Spielern sowieso überschätzt wird) läuft ins Leere, da Ihr Gegner mit der schlechteren Hand nur 2 bis 3 Outs hat.
Ein Call bietet dagegen viele weitere positive Konsequenzen. Der TAG könnte weiter bluffen und noch mehr Geld verlieren (natürlich callen Sie auf dem Turn und River erneut), oder er könnte checken und mit schlechteren Value-Händen zumindest noch eine Bet bezahlen.
Während Sie mit einem Raise im Schnitt also unwesentlich mehr als die 5 $ der gegnerischen Flop-Bet gewinnen können (oder eben den gesamten Stack verlieren), geben Sie dem Gegner mit einem Call die Möglichkeit, noch deutlich mehr zu verlieren.
Nehmen wir zum Beispiel an, der Gegner hat JJ und checkt nach der 4 auf dem Turn. Sie checken ebenfalls und der River bringt die 10 . Wieder checkt Ihr Gegner und Sie setzen 12 $ in den Pot mit 17.50 $. Ihr Gegner callt und Sie haben insgesamt 20 $ von ihm gewonnen – kein schlechtes Resultat mit einer marginalen Hand.
Oder Sie setzen auf dem Turn und Ihr Gegner callt, Sie setzen auf dem River erneut und Ihr Gegner callt vielleicht in 30 Prozent der Fälle (je nachdem, welche Hand er hat), und Sie gewinnen noch mehr.
Zusammenfassung
Zwei Punkte sind in diesem Kontext wesentlich. Erstens sollte man sich bei einem Raise immer fragen, welche schlechtere Hand callen kann, und zweitens sollte man sich von der irregeleiteten Vorstellung der Protection oder gar des Informations-Raise verabschieden, da man damit nur schlechtere Hände vertreibt, die in der Regel eine miserable Pot Equity haben.
Raises auf dem Flop sollten daher Bluffs und Semi-Bluffs vorbehalten sein, da man damit bessere Hände zum Folden bringen kann und eine eventuell miserable eigene Pot Equity in einen gewonnenen Pot ummünzen kann. Hätte man auf dem genannten Board zum Beispiel 6 5 , wäre ein Raise ein guter Spielzug, da man selbst kaum Pot Equity hat, das gegnerische Spektrum nicht sonderlich gut getroffen hat und man bessere Hände wie 99 etc. zum Folden bekommt.
Ein Raise mit AK dagegen kostet immer Geld. Entweder, weil der Gegner mit der schlechteren Hand direkt foldet und kein weiteres Geld verliert, oder weil man gegen ein Monster (allerdings selten) seinen gesamten Stack verliert.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 28.05.2012.