Wie wäre es mit einer Geschichte von einem Jungen, der 15 Dollar auf sein Online-Konto einzahlte und daraus über eine halbe Million machte?
Charles “Epiphany77” Carrel ist genau dies gelungen und bei der jüngsten EPT in Malta gelang ihm mit seinem 5. Platz beim $10k-Highroller ein zweiter Achtungserfolg in der Live-Turnier-Szene nach seinem Sieg bei Grosvenor UK Poker Tour im November 2014. Lee Davy hat Carrel schon im letzten Jahr interviewt und wir haben seinen Artikel hier übersetzt.
Sheldon Adelson dürfte Charles Carrel lieben, denn er war grade mal acht Jahre als als er lernte, Five-Card-Draw im Internet auf einer Spielgeldseite zu spielen.
Ein Jahrzehnt später machte Carrel mit dem Deck wieder Bekanntschaft und spielte mit seinen Freunden £5-Sit-And-Gos. Einer der Freunde erzählte ihm, dass er ein klein wenig Geld online gewonnen hatte und das weckte Carrels Interesse.
“30 Dollar hatte mein Freund beim Online-Poker gewonnen. In unseren Home-Games war ich klar der beste Spieler, also versuchte ich es auch. Ich zahlte 15 Dollar ein und hatte wahrscheinlich einfach Glück,” erklärte er.
Früh den Wert von Geld gelernt
Mit seinen 15 Dollar Einsatz spielte er ein $1-180-Mann-Sit-And-Go auf PokerStars, gewann das Ding und bekam 49 Dollar zurück.
“Bei uns zu Hause gab es nie viel Geld und deswegen habe ich den Wert von Geld früh gelernt. Hätte ich nicht mein erstes Turnier gleich gewonnen, wäre alles Spätere wohl nie passiert.”
Aber mit dem Sieg entbrannte bei ihm ein Feuer. Mit seinen Freunden spielte mindestens dreimal die Woche online $1,50-Sit-And-Gos und die Stakes stiegen langsam an. Von $1,50 auf $3, dann $7 – die Gewinne hielten an.
$1k Cashgames auf Party
“Ich beratschlagte mich mit meinen Freunden, ob es nicht besser sei Cash-Games zu spielen und wir kamen zu Schluss, dass es das wäre. So fing ich an, $25-Zoom auf PokerStars zu spielen. Das war das erste Mal, dass ich komplett allein spielte und ich konnte nicht aufhören.”
Carrel machte nichts anderes mehr außer Poker zu spielen. Mindestens fünf Mal pro Woche spielte er die Nacht durch und seine Eltern begannen sich Sorgen zu machen, denn auch die Schule litt darunter. Aber es sollte sich alles auszahlen.
“Ein Freund empfahl mir, bei PartyPoker zu spielen, denn die Games sollten dort softer sein. Also habe ich es ausprobiert. Er hatte recht, es lief wirklich gut.”
Carrel zog für einige Zeit zu seiner Großmutter auf Jersey. Dort spielte er für sieben Monate bis zu $1.000-NL auf Party und seine Bankroll stieg von 1.800 auf 60.000 Dollar.
Auch in der Schule lief es deutlich besser und er schloss mit hervorragenden Noten ab. Es sah alles gut aus.
Zweiter Platz bei der Sunday Million
“Rund 100.000 Dollar habe ich in den Cashgames gemacht, bevor ich wieder zu Stars zurückkehrte. Ein Freund hat mit 1.000 Dollar transferiert und ich fing mit den Turnieren an.”
“Das erste, das ich spielte nannte sich NLO. Das hatte ich noch nie gespielt, aber irgendwie hab ich es trotzdem gewonnen. Dafür gab’s $5k.”
“Am nächsten Wochenende wurde ich Zweiter bei der Sunday Million für $200k. Gleichzeitig erreichte beim Second-Chance-Turnier den Final-Table und bekam weitere 10k. Das war ein wirklich gutes Wochenende.”
Urlaub und Auszeit für $60k
Fragt man Carrel, was in seinem Leben wichtig ist, antwortet er mit: “Freunde und Familie”. Von seinem Preisgeld bei der Sunday Million nahm er $60k und machte mit seinen Freunden Urlaub in Amsterdam. Außerdem nahm er eine kurze Auszeit vom Poker. “Ich musste meine meine sozialen Fähigkeiten neu erlernen”, erklärte Carrel die Pause.
Inzwischen lebt er mit einem Freund in London und verbringt den Großteil der Zeit auf PokerStars beim $500NL-Zoom. Zusammen grinden sie die Sonntagsturniere.
Zu Spitzenzeiten lag Carrels Bankroll bei über 500.000 Dollar. Für eine Investition von $15 ist das keine schlechte Ausbeute.
Seinen Eltern musste er einstmals einen $25NL-Graphen zeigen, um sie zu überzeugen, dass er beim Pokern Geld gewinnen kann. Damals hatte er eine $1k-Bankroll.
Jetzt kann er seinen Eltern, die ihm so viel gegeben hatten, ein wenig zurückgeben: “Ich verdanke ihnen Alles. Ich habe zwar keine Kinder, kann mir aber gut vorstellen, dass sie ein immenser Kostenpunkt sind.”
Ich vergesse, mit Leuten zu sprechen
Und was hat der junge Mann durch das Pokerspielen gelernt?
“Ich habe gelernt, dass Geld nicht so viel Wert ist, wie ich es ursprünglich mal dachte. Der wahre Wert kommt erst zum Tragen, wenn man es für Freunde oder Familie ausgeben kann. Überdies hinaus bedeutet mir Geld nicht sonderlich viel. Lieber gebe ich einem Taxifahrer etwas mehr Trinkgeld als dass ich mir eine überteuerte Mahlzeit gönne.”
“Poker hat mir auch beigebracht, wie man mit negativen Erfahrungen umgeht. Kleine Unfälle, wie etwa ein kaputtgegangener Fernseher hätten mir vor einigen Jahren noch die Welt bedeutet. Jetzt kann ich so etwas wie einen Bad Beat betrachten.”
Aber Poker hat auch seine Nachteile: “Ich muss mich daran erinnern, die Wohnung zu verlassen. Und ich vergesse, mit Leuten zu sprechen. Ich werde von dem, was ich tue so beschlagnahmt, dass ich manchmal vergesse, dass es überhaupt andere Menschen gibt.”
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.04.2015.