Passend zum Start der WSOP in Vegas schauen wir einmal auf die handelsüblichen Fehler, die ein Anfänger beim Turnierpoker machen kann und geben 4 Tipps, worauf man beim eigenen Spiel achten sollte.
1. Quietsche-tight am Anfang der Turniers
Viele Pokerspieler verfallen dem Fehler, am Anfang eines Turniers viel zu viele Hände zu spielen. Chips sind reichlich vorhanden, und man kann es sich leisten, mit vielen Händen einen Flop zu sehen. Aber nur weil man es sich leisten kann, muss das noch keine gute Investition sein.
Tatsächlich sind die meisten Preflop-Abenteuer von Amateuren glatte Fehlinvestitionen. Mit vielen Chips hat man eine gehörige Marge, um Fehler zu machen. Mit 100 oder mehr Big Blinds ist Poker überaus komplex. Einfach nur Top-Pair treffen und dann gnadenlos Chips in die Mitte schieben, funktioniert hier nicht.
Mit großen Stacks muss man Fingerspitzengefühl haben. Man will keine Hände, die gut aussehen, aber zu oft nur die zweitbeste Hand sind und man will keine großen Pötte mit wackeligen Ein-Paar-Händen aufbauen.
So lange die Stacks groß sind, sollte man sich auf Hände verlassen, mit denen man vergleichsweise gefahrlos nach dem Flop spielen kann. Das sind Hände mit denen man den Flop eindeutig definiert trifft, etwa:
- Hohe Paare (man trifft ein Overpair oder nicht)
- Ass-König (man trifft ein ausgezeichnetes Top-Pair mit Top-Kicker oder nicht)
- Kleine Paare (man trifft ein Set oder nicht)
- Starke Suited Connectors (man trifft einen guten Straight- oder Flush-Draw oder nicht)
Die kleinen Paare und Conntectors sollte man allerdings auch nur spielen, wenn man sehr billig einen Flop sehen kann und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass man ausgezahlt wird, wenn man trifft – etwa weil viele Spieler involviert sind oder weil ein besonders zahlungswilliger Spieler dabei ist.
Ansonsten sollte man sich in der frühen Phase des Turniers zurücklehnen und nichts weiter tun. Spekulative Hände lohnen in den meisten Fällen nicht das Risiko, denn ein verlorener Chip tut einem langfristig wesentlich mehr weh als ein gewonnener Chip.
Viele Profi-Spieler sind übrigens während der ersten Turnier-Level so tight, dass sie gar nicht erst spielen, sondern zu einem späteren Zeitpunkt einsteigen. Klar, mit einem so radikalen Ansatz verpasst man sicherlich einen kleinen langfristigen Gewinn, aber dafür setzt man seinen Stack auch keinem Risiko aus.
Ein gesunder Stack in der mittleren Phase eines Turniers ist häufig weit mehr wert als ein möglicher kleiner Chip-Zugewinn während den ersten Level, denn mit steigenden Blinds steigt auch der Preis für Fehler, welche man bei den Gegnern ausnutzen kann.
2. Poker ist Aggression, Aggression, Aggression
Egal ob in den frühen oder späten Phasen eines Turniers – fast immer ist aggressives Spiel das bessere Spiel.
Man limpt nicht einfach, man raist. Man callt nicht einfach, man reraist. Auf dem Flop checkt man nicht, man setzt. Wer aggressiv spielt, hat beim Poker in der Regel die Hosen an und hat die größeren Chancen, sehr weit in einem Turnier zu kommen.
Der Grund ist – einfach zusammengefasst – ein ganz simpler: Wer callt kann nur gewinnen, wenn er die beste Hand hat. Wer raist, kann jedoch auch mit der schlechteren Hand gewinnen, wenn der Gegner foldet.
Die Forderung nach Aggression bedeutet nun keineswegs, dass man mit Chips bedenkenlos um sich werfen sollte. Es bedeutet lediglich, dass man, wenn man sich entscheidet eine Hand zu spielen, diese in der Regel aggressiv spielen sollte. Denn dann kann man selbst die Setzhöhen bestimmen und hat wesentlichen Anteil daran, wie sich der Pot über Flop, Turn und River gestaltet.
3: Sobald die Antes da: Gas geben
Mit dem Einsetzen der Antes in einem Pokerturnier lohnt es sich in der Regel, die Handbremse ein wenig zu lockern und mehr Hände zu spielen. Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen:
Wir sind im vierten Level eines Turniers (noch keine Antes) und die Blinds sind 100 / 200. Unser Stack beträgt 5.000 Chips. Angenommen wir sitzen am Button und überlegen uns, mit K 6 die Blinds zu stehlen. Wenn beide Blinds folden, gewinnen wir 300 Chips – 6 Prozent unseres Stacks. Das wäre ein ordentlicher Zugewinn, aber lohnt es sich dafür, einen Raise mit einer eher schlechten Hand zu riskieren?
Betrachten wir jetzt die gleiche Situation, aber diesmal im fünften Turnier-Level (mit Antes). Die Blinds sind immer noch 100 / 200, aber zusätzlich liegen zehnmal 25 Ante-Chips in der Mitte. Jetzt würde uns ein erfolgreicher Steal gleich 550 Chips einbringen – das entspricht 11 Prozent unseres Stacks und macht die Entscheidung für einen Steal wesentlich einfacher.
Entsprechend sollte man mit Antes im Spiel immer nach Möglichkeiten suchen, mit einem kleinen Raise vor dem Flop die Blinds und Antes einzusammeln. Gegen ebenfalls aggressive Gegner ist auch dann und wann ein Reraise mit einer eher mittelmäßigen Hand möglich.
Weit weniger als die eigene Hand, ist hier jedoch die allgemeine Spielsituation entscheidend. In später Postion in einem nicht eröffneten Pot gegen tighte Gegner kann man praktisch unabhängig von seiner Hand profitabel die Blinds stehlen, gegen einen notorischen Preflop-Raiser kann man ebenfalls fast unabhängig von seiner Hand eine profitable 3-Bet bringen.
Natürlich kann man mit einem solchen Raise oder Reraise auch dann und wann mal in einer starke Hand wie Könige oder Asse laufen. Aber solche Hände sind rar gesät und das Risiko, einer solchen Hand zu begegnen ist eher gering. Ein Beispiel: Hat man noch drei Gegner vor sich, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass einer davon Damen oder besser oder Ass-König hält, grade mal 7,5 Prozent – ein sehr übersichtliches Risiko.
Zumeist werden die Spieler, die auch in den späteren Phasen eines Turniers auf besonders gute Hände warten, schlicht von den Blinds aufgefressen. Denn was nützt es, wenn man nach 100 Händen endlich ein Monster bekommt, wenn man vorher zehnmal durch die Blinds gegangen ist, immer gefoldet hat und so 80 Prozent seines Stacks eingebüßt hat?
4: Klein, klein mit großen Chips
Wenn die Blinds größer werden, passen gute Spieler ihre Setzgrößen vor und nach dem Flop mehr und mehr nach unten an.
Sprich: Bei Blinds von 2.000 / 4.000 wird nicht mehr auf 12.000 (3 Big Blinds) oder gar 16.000 (4 Big Blinds) geraist, sondern auf 8.000 oder 8.500. Ebenso werden Reraises nicht mehr in Pot-Größe getätigt, sondern fallen wesentlich kleiner aus.
Der Grund hierfür ist, dass ein kleiner Raise am Ende fast das Gleich bewirkt wie ein größerer, aber wesentlich günstiger ist.
Da man bei hohen Blinds ohnehin zu 90 Prozent mit Steals oder Re-Steals beschäftigt ist, kann man auch gleich das Risiko eindämmen, dabei ertappt zu werden und viele Chips für den Steal-Versuch zahlen zu müssen.
Klar, mit einem kleinen Raise gibt man insbesondere dem Spieler im Big Blind bombastische Pot-Odds, aber wenn die Blinds eine gewisse Höhe erreicht haben, ist es in der Regel wichtiger (und richtiger) Chips zu konservieren, als in spekulative Hände zu investieren, nur weil man passende Odds bekommt.
Entsprechend folden die meisten Gegner auch bei guten Odds.
Mit kleinen Raises und Reraises lässt man sich (und seinen Gegnern) wesentlich mehr Spielraum. Hat man nur noch 15 Big Blinds und raist vor dem Flop auf 4 Big Blinds, ist man praktisch verpflichtet, jeden Reraise zu callen, denn man hat schon so viele Chips investiert. Bei einem Raise auf 2 Big Blinds sieht die Sache jedoch anders aus.
Die zu großen Raises vor dem Flop ist einer der häufigsten Anfängerfehler bei Turnieren und diese auszunutzen, ist enorm profitabel. Nicht selten stellt ein Spieler 40 Prozent seines Stacks vor dem Flop in die Mitte, nur um auf ein All-In dann doch zu folden. Das ist völlig unabhängig von seiner Hand immer ein horrender Fehler.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.