Seit über zehn Jahren zählt er zu den erfolgreichen deutschen Poker-Profis und verdient seinen Lebensunterhalt vor allem an den Cashgame-Tischen in Wiesbaden.Nun gibt der Full-Tilt-Profi Roland Specht in einem Exklusiv-Interview Auskunft über seine Zukunft, die Vergangenheit sowie das brisante Thema Poker und Drogen. Außerdem verriet er uns seine Lieblingsspieler. Doch lesen Sie selbst:
Du spielst seit 1997 professionell Poker und bist viel unterwegs. Wie sieht der Alltag des Poker-Profis Roland Specht aus?
Gerade komme ich von einem einwöchigen Urlaub in Macao und Shanghai. In Macao habe ich mir zwar das unglaubliche Venetian Casino angesehen, in dem es 800 Tische für alle Glücksspiele gibt, aber kein Poker gespielt. Von 1997 bis 2007 habe ich so gut wie keinen Urlaub gemacht, sondern sechs Tage in der Woche Poker gespielt. Es gibt ja immer Gründe zu spielen – entweder will man seine Verluste nach einer schlechten Phase wieder hereinholen oder seine Strähne ausnutzen.Normalerweise spiele ich hauptsächlich in der Spielbank Wiesbaden und mindestens einmal pro Monat eine Woche im Ausland, vorzugsweise Österreich.
Wie hast du damals – ohne viel Literatur, die auf dem Markt war – dein Spiel entwickelt und verbessert?
Ich bin reiner Autodidakt. In meinem ganzen Leben habe ich ein Poker-Buch gelesen, Hi-Lo Split Poker von Ray Zee, alles andere habe ich mir selbst beigebracht. Ich besitze eine gute Auffassungsgabe, eine Menge Disziplin, drehe selten durch und hatte zu Beginn auch eine Portion Glück. Mit meinem Niveau von vor fünf bis sechs Jahren könnte ich allerdings heute nicht mehr bestehen. Ende der Neunziger war das allgemeine Niveau deutlich schwächer, die Leute haben ihre Spielverluste durch Börsengewinne kompensiert und das Geld in die Spielbank getragen.
Du hast lange auf Spitzenniveau Tischtennis gespielt. Siehst Du Verbindungen zwischen den beiden Sportarten bzw. kamen Dir Erfahrungswerte, die Du beim TT gesammelt hast, beim Poker zugute?
Es ist natürlich die Wettkampfsituation, die beide Disziplinen verbindet. Man darf im Spitzensport generell die Nerven nicht verlieren und muss gegnerorientiert vorgehen. Schon mit 16 galt ich in der Tischtennis-Szene als Gambler, als ein Spieler, der den ungewöhnlichen Weg zum Punkt sucht. 1989/1990 wurde die Anzahl der Spieler pro Mannschaft im Tischtennis reduziert, hinzu kann das Bosman-Urteil und auf einmal reichte eine Platzierung unter den besten 30 bis 40 deutschen Spielern nicht mehr aus, um in der Bundesliga aufgestellt zu werden. Daher habe ich als Croupier in der Spielbank Mainz angefangen und das Tischtennis rückte immer mehr in den Hintergrund.
Gab es innerhalb deiner Karriere Krisen in puncto Motivation oder andere?
Krisen würde ich nicht sagen, aber seit diesem Jahr spiele ich viel weniger Poker als früher. Ich habe einfach andere Prioritäten und spiele wieder Tischtennis, in der 5. Liga beim TV Erbenheim. Wenn man so viel Poker spielt, vernachlässigt man automatisch seinen Freundeskreis, auch eine Beziehung ist schwierig. Freundschaften beim Poker sind problematisch, schließlich sind wir alle Einzelkämpfer. Wenn überhaupt sind diese am ehesten mit anderen Gewinnern möglich.Mir hat Poker eigentlich immer Spaß gemacht. Ich glaube, letzten Endes kann man auch nur Erfolg haben, wenn man Spaß daran hat, deswegen würde ich auch weiter spielen, wenn ich so viel Geld verdient hätte, dass ich nie mehr arbeiten muss. Allerdings muss ich sagen, dass mit zunehmendem Alter auch die Energiereserven nachlassen. Als Profisportler konnte ich am Abend saufen, drei Stunden schlafen und am nächsten Tag meine Bestleistung abrufen. Das geht heute nicht mehr.
Du bevorzugst Live Cash Games und dabei PLO. Hat sich der Turnierboom auf dich ausgewirkt? Spielst du mehr Turniere als früher?
Turniere bieten einfach keine ausreichenden Vorteile. Du musst reisen, Hotels bezahlen und wenn du Pech hast, bist du nach einer Stunde raus. Bei meinem letzten Turnier, den European Open im März 2008, bin ich mit Kx Kx nach 20 Stunden gegen K 6 rausgeflogen, weil mein Gegner seinen Flush gebastelt hat. Da hatte ich erst mal die Schnauze voll. Schau Dir einen Spieler wie Juha Helppi an. Er hat an 30 Turnieren der EPT teilgenommen und ist nicht einmal im Geld gelandet. Oder Negreanu und Ferguson. Die beiden mussten lange Durststrecken hinnehmen.Außerdem muss ich sagen, dass mir das Cash Game in Wiesbaden viel Spaß macht. Die Partie ist sehr lebendig, mit vielen Bekannten und netter Konversation. Das Casino liegt quasi vor meiner Haustür und nach einem Bad Beat kann ich mich neu einkaufen, statt in Budapest zu sitzen und nach meinem Ausscheiden darauf zu warten, dass irgendwo ein Tisch aufgemacht wird.
Wie siehst Du die aktuelle Casinokrise?
Natürlich haben die Casinos momentan Probleme mit rückläufigen Umsätzen. Der Grund liegt aber sicher nicht beim Poker, sondern im Automatenspiel. Die Spielhallen bieten mittlerweile die gleichen Automaten an, verlangen keinen Eintritt, keinen Ausweis und geben sogar kostenlose Getränke aus. Natürlich gibt es auch einige Privatrunden, die den Casinos zumindest teilweise den Rang ablaufen. Man zahlt weniger Rake und die Polizei lässt sich zwar ab und zu blicken, zieht dann aber auch genauso schnell wieder ab. In München gibt es ja weit und breit kein Casino, kein Wunder, dass dort die Privatrunden aus dem Boden schießen wie Pilze.
Wie hat dein Umfeld, deine Familie und Freunde, darauf reagiert, dass du Pokerprofi geworden bist?
Meine Familie hat diesen Weg immer unterstützt und geht gelegentlich mit mir ins Casino. Sie wissen, dass ich mit diesem Job mehr Geld verdiene als mit einem normalen und akzeptieren diesen wie jeden anderen Beruf.
Eine etwas brisante Frage zum Thema Poker und Drogen. Inwieweit glaubst du oder hast du erfahren, dass Pokerspieler Drogen zu Hilfe nehmen, um ihre Konzentration, Ausdauer etc. zu verbessern?
Ich habe seit 15 Jahren keine Drogen-Erfahrungen mehr gemacht, ich habe das hinter mir und es interessiert mich nicht. Aber natürlich konsumieren viele Pokerspieler sowohl privat als auch beim Poker. Dabei gibt es einen Anstieg von Norden nach Süden, dies bezieht sich nicht nur auf Deutschland, sondern auch auf die Heimat des Musikers Falco. Kokain ist natürlich leistungsfördernd, wenn die Konzentration nachlässt und einen die Müdigkeit überkommt. Manche können so 20 bis 30 Stunden spielen oder sogar noch länger. Für viele deutschsprachige Spieler, die es gewohnt waren, acht Stunden am Tisch zu sitzen, war die Umstellung auf die amerikanischen Verhältnisse so leichter. Dort sitzt man schon einmal 14 Stunden am Tisch und muss die Konzentration hochhalten.Ich bin übrigens gegen Dopingproben beim Poker, denn Poker ist kein Sport, sondern ein Strategiespiel und jeder kann tun und lassen, was er will.
Gibt es einen Spieler in Deutschland oder international, für den du besonderen Respekt empfindest, den du für besonders stark hältst? Warum?
Es gibt einige, wie zum Beispiel Sebastian Ruthenberg, den ich nicht nur für einen ausgezeichneten Spieler halte, sondern auch für einen äußerst sympathischen, bescheidenen und normal gebliebenen Zeitgenossen. Er ist auch sehr vielseitig.Auch Markus Golser ist ein Spieler, den ich sehr respektiere. Er hat sich von den niedrigsten Limits auf die höchsten hochgearbeitet und dabei stets eine große Pokertugend bewiesen, Geduld.Christoph Haller schätze ich als Spieler und als Menschen sehr, er hat schon vor zehn Jahren auf den höchsten Limits gespielt und einige interessante Ideen umgesetzt, sei es sein Fußballverein in Serbien oder seine Zeit in Odessa.Bei Andreas Krause ziehe ich den Hut vor seinen Turnierleistungen in den Jahren 2006 und 2007 und von den Full-Tilt-Profis sind mir vor allem Clonie Gowen, John Juanda, Erik Seidel und Erick Lindgren sehr sympathisch, da sie trotz ihrer Erfolge sehr zugänglich geblieben sind.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Ich werde weiterhin die Pot-Limit Omaha-Tische in Wiesbaden heimsuchen und etwas weniger pokern als bisher. Wenn man 300 Tage pro Jahr im Casino sitzt, läuft man Gefahr, zu verblöden. Vielleicht studiere ich Geographie oder Geschichte, neben dem Poker natürlich. Poker wird für mich weiterhin ein Spiel sein, bei dem es um Geld geht. Pokale und Ehre bringen nichts, während Geld mir die Möglichkeit verschafft, finanziell unabhängig zu sein und zu machen, was ich will. PLO ist ja die Variante mit dem höchsten WBQ, dem sogenannten Weichbirnenquotienten.
Roland, vielen Dank für das Gespräch.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 10.12.2008.